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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aus hatte Ansen sicherlich recht;
ihre Irrfahrt, die nun schon so lange andauerte, hatte tatsächlich
damit begonnen, dass sie sich vorschnell und leichtsinnig in
einen Kampf zweier verfeindeter Sippen eingemischt und dabei
die falsche Partei ergriffen hatten.
    Abu Dun und er hatten die Besatzung eines ganzen Schiffes
ausgelöscht, bevor ihnen klar geworden war, dass man sie zum
nützlichen Werkzeug einer heimtückischen Intrige gemacht
hatte. Unfähig, diesen Fehler rückgängig zu machen, hatten sie
beschlossen, den Toten eine letzte Ehre zu erweisen und sie
nach Hause zu bringen, und waren mit der Schwarzen Gischt, der Kogge, von der Ansen gesprochen hatte, in See gestochen.
    Doch sie hatten ihr Ziel niemals erreicht, und seither war so
viel Erschreckendes geschehen, dass Andrej schon beinahe zu
vergessen begann, wie die Reise ihren Anfang genommen hatte.
Dennoch war Ansen der Wahrheit über Abu Dun und ihn nicht
einmal nahe kommen. Hätte er eine Ahnung gehabt, wer sie
wirklich waren, dann hätte er wohl tatsächlich versucht, den
Nubier und ihn zu töten, kaum dass er sie gesehen hatte.
    Auf diese Weise verging eine Stunde, vielleicht auch zwei.
Das Loch in der Wolkendecke hatte sich wieder geschlossen,
und Dunkelheit hüllte den Fjord und das kleine Schiff ein. Das
wenige Licht reichte selbst für Andrejs scharfe Augen nicht aus,
und er konnte nicht mehr als Schatten wahrnehmen. Dennoch
sah er manchmal zu der schweigenden Gestalt im Heck der Fenrir hinüber. Fritjof, wie Ansen den Matrosen genannt hatte,
den er zurückgelassen hatte – vorgeblich, um das Schiff, in
Wahrheit aber sicher, um sie zu bewachen –, stand noch immer
völlig reglos in der gleichen Haltung und starrte in ihre
Richtung.
    Er hatte die ganze Zeit über kein Wort gesprochen, war nicht
näher gekommen, ja, schien sich um keinen Fingerbreit bewegt
zu haben. Andrej fragte sich, was er tun würde, sollten Abu Dun
und er einfach aufstehen und gehen, und als hätte er seine
Gedanken gelesen, murmelte Abu Dun in diesem Moment neben
ihm: »Nun?«
    Andrej riss seinen Blick mit einiger Mühe von der Gestalt im
Heck des Schiffes los und wandte sich zu Abu Dun. »Nun –
was?«
    »Was tun wir?«, fragte Abu Dun. »Ich meine, schließen wir
uns ihnen an, gehen wir einfach weg, oder folgen wir ihnen und
bringen sie um?«
    Andrej war für einen Moment irritiert. Abu Dun legte
manchmal einen Humor an den Tag, der noch schwärzer als sein
Gesicht war, und nicht einmal er war immer ganz sicher, was er
von Abu Duns zuweilen haarsträubenden Vorschlägen zu halten
hatte. Jetzt aber spürte er, dass die Worte sehr ernst gemeint
waren. »Warum sollten wir das tun?«, gab er zurück.
»Weil mit diesem Ansen etwas nicht stimmt«, erwiderte Abu
    Dun. »Er verheimlicht uns etwas. Ich spüre es.«
»Wenn der Umstand, seinen Reisebegleitern etwas zu
verheimlichen, allein Grund genug ist, jemanden zu töten, dann
hätten sie jedes Recht der Welt, uns zu töten«, erwiderte Andrej
lahm. Die Worte klangen selbst in seinen Ohren albern, und er
hatte sie ohne nachzudenken ausgesprochen.
Es war nicht so, dass Abu Dun und er noch nie einen
Menschen getötet hätten. Einen Großteil ihres langen Lebens
hatten sie sich als Söldner verdingt, und allein ihre Natur brachte
es mit sich, dass an ihrer beider Hände mehr Blut klebte als an
dem anderer Menschen. Dennoch, einen Menschen auf dem
Schlachtfeld zu töten oder ein unschuldiges Leben zu retten,
indem man schuldiges auslöschte, war gerechtfertigt. Blut zu
vergießen, nur weil einem das, was der andere hatte, nicht
gefiel, war es nicht.
»Du weißt, was ich meine«, behauptete Abu Dun, und diesmal
konnte Andrej nur widerwillig nicken. Natürlich hatte der
Nubier recht. Ein Geheimnis umgab Ansen und seine Männer,
und es war nicht nur der Umstand, dass sich eine Gruppe
vermeintlicher Rauf- und Trunkenbolde in Wahrheit als Piraten
entpuppt hatte. Da war noch mehr.
Trotzdem gab er sich einen Ruck.
»Wir gehen«, sagte er. »Jetzt.«
Abu Dun sah ihn einen Herzschlag lang schweigend an. Er
hatte eine andere Entscheidung erwartet, das spürte Andrej, aber
nach einem Moment hob er nur die mächtigen Schultern und
fügte sich. Langsamer als notwendig stand er auf, und auch
Andrej erhob sich und fuhr um Verständnis bittend leise fort:
»Ich bin es müde, Abu Dun. Ich wünschte, wir hätten uns
niemals in diese Geschichte hineinziehen lassen. Es ist genug
Blut geflossen.«
Abu Dun schwieg, auch
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