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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen
Autoren: T Weaver
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mich in den vollgestellten Wartebereich neben dem Empfang. Noch mehr OP-grüne Stühle. Poster, die vor den Gefahren des Drogenkonsums warnten. Eine Vase mit blauen Plastikblumen. Einige Schüler kamen vorbei, sahen mich an und gingen weiter. Alles roch nach Möbelpolitur.
    Ein Telefon klingelte. Ein lang gezogenes Geräusch ohne Unterbrechung. Eine der Sekretärinnen hob ab. Inzwischen war die Glasscheibe zwar wieder geschlossen, aber die Frau sah mich beim Sprechen an. »Okay«, sagte sie einige Male und legte auf. Dann beugte sie sich vor und öffnete die Scheibe. »Er kommt in fünf Minuten.«
    Eine Viertelstunde später war er tatsächlich da.
    Einen abgehetzten Ausdruck auf dem Gesicht, marschierte er schnurstracks auf den Empfang zu. Er sah aus, als sei er den ganzen Weg hierhergerannt. Er folgte dem Blick seiner Sekretärinnen quer über den Flur, wo ich saß. Dann kam er auf mich zu. »Steven Bothwick.«

    Ich stand auf und schüttelte ihm die Hand. »David Raker.«
    »Freue mich, Sie kennenzulernen«, erwiderte er und strich sich mit einem Finger das Haar aus dem Gesicht. Er war gerade dabei, auch noch den kläglichen Rest zu verlieren, und scheiterte offenbar daran, diesen Umstand zu tarnen.
    »Ich bin wegen Megan Carver hier«, begann ich.
    »Ja«, erwiderte er, »ein reizendes Mädchen.«
    Er lotste mich zu einer Tür ein Stück den Flur entlang, auf der sein Name stand. Sein kleines Büro war mit Büchern und Aktenordnern vollgestopft. Das große Fenster hinter dem Schreibtisch bot einen Blick auf die Fußballplätze. Bothwick holte einen Stuhl, der an der Wand stand, und rückte ihn auf die andere Seite des Schreibtischs. »Möchten Sie etwas trinken?«
    »Nein, vielen Dank.«
    Er nickte, schob ein paar Aktenordner zur Seite und ließ sich umständlich hinter dem Schreibtisch nieder. Er war Mitte fünfzig und knapp eins siebzig groß, strahlte jedoch etwas Eindringliches und Entschlossenes aus. Sein Gesichtsausdruck war selbstbewusst und vermittelte Durchsetzungsfähigkeit.
    Ich griff in die Tasche und zog eine zweite Visitenkarte heraus. »Nur, um eines klarzustellen. Ich bin kein Polizist. Früher war ich Journalist.«
    Seine Miene verfinsterte sich. »Ein Journalist?«
    »Früher. Seit zwei Jahren spüre ich vermisste Personen auf. Das ist meine neue Tätigkeit. Die Carvers haben sich an mich gewandt und mich gebeten, Megans Verschwinden auf den Grund zu gehen.«
    »Warum?«
    »Weil die polizeilichen Ermittlungen auf der Stelle treten.«
    Er nickte. »Mir tat ihre Familie sehr leid. Megan war eine ausgezeichnete Schülerin mit glänzenden Zukunftsaussichten.
Das habe ich der Polizei damals auch gesagt.« Er nahm meine Karte und studierte sie. »Das war aber ein ziemlich drastischer Berufswechsel.«
    »Nicht so schlimm, wie Sie denken.« Ich beobachtete, wie er die Aufschrift las — DAVID RAKER, AUFKLÄRUNG VON VERMISSTENFÄLLEN. Dann sah er mich über den Schreibtisch hinweg an.
    Er gab mir die Karte zurück. »Und wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich hätte da einige Fragen.«
    »Nur zu.«
    Ich förderte meinen Block zutage und legte ihn auf den Schreibtisch.
    »Ihre Eltern haben mir erzählt, sie hätten sie am Morgen des dritten April zur Schule gebracht. Am Nachmittag sei sie dann nicht mehr aus dem Gebäude gekommen. Müssen sich die Schüler irgendwo eintragen?«
    »Ja, wir überprüfen die Anwesenheit morgens und dann noch einmal nach der Mittagspause. Allerdings nur in den Jahrgängen sieben bis elf.«
    »Das heißt von elf bis sechzehn Jahren, richtig?«
    »Richtig.«
    »Also war Megan zu alt dafür?«
    »Ja, unsere Abiturjahrgänge werden eher wie Erwachsene behandelt. Wir ermuntern sie, zum Unterricht zu erscheinen, bestrafen Abwesenheit aber nicht.«
    »Würde es jemandem auffallen, wenn ich ein paar Schultage verpassen würde? Und wem würde es gemeldet werden? Ihnen?«
    »Ja. Wenn ein Schüler ständig fehlt, würde der Lehrer mich informieren.«
    »Aber ein paar Fehltage hier und da …?«
    Er zuckte die Schultern. »Vielleicht würde es eine Meldung
geben, vielleicht aber auch nicht. Das hängt vom jeweiligen Schüler ab. Manche tragen so wenig zum Unterricht bei, dass man ihre Anwesenheit kaum zur Kenntnis nimmt. In diesem Fall würde es ein Lehrer vermutlich nicht so rasch bemerken. Aber Megan … Ich glaube, es wäre sofort aufgefallen, wenn sie häufig den Unterricht versäumt hätte.«
    »War sie eine gute Schülerin?«
    »Sie gehörte zu den besten drei Prozent, ja.«
    »Und
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