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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller
Autoren: Sharon Bolton
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Jungen rannten durch das hohe Gras, so schnell sie konnten. Tom kletterte auf die Mauer, schaute sich auf dem Kirchhof um und beugte sich dann hinab, um Joe hochzuziehen. Jake und die anderen Jungen waren nirgends zu sehen, doch in der Umgebung der alten Kirchenruine gab es Hunderte von Verstecken.
    Ein alter Sportwagen parkte gleich neben dem Kirchentor, blassblau mit jeder Menge Silberverzierungen. Das Verdeck war zurückgeklappt und über dem Kofferraum zusammengefaltet worden. Ein Mann beugte sich über den Beifahrersitz und fuhrwerkte im Handschuhfach herum. Dann fand er, was er suchte, und richtete sich auf. Er war ungefähr so alt wie Toms Dad, vierunddreißig oder fünfunddreißig. Größer als Toms Dad, aber dünner.
    Tom bedeutete Joe, ihm zu folgen. Dann hob er den Baseballschläger auf – es brachte schließlich nichts, Beweise offen herumliegen zu lassen – und rannte los, bis sie hastig in ihr Lieblingsversteck krabbeln konnten: ein von vier Steinsäulen getragenes, rechteckiges Grabmal, das aussah wie ein steinerner Tisch. Das Gras darum herum war hoch, und wenn die Jungen erst einmal unter die Deckplatte gekrochen waren, waren sie allen Blicken entzogen.
    Der Fahrer des Sportwagens öffnete die Autotür und stieg aus. Als er sich der Kirche zuwandte, konnten die Jungen sehen, dass sein Haar dieselbe Farbe hatte wie das ihrer Mutter – rotblond, nicht rot – und dass es auch lockig war wie das ihrer Mum, nur war seines kurz geschnitten. Er trug knielange Shorts, ein weißes T-Shirt und rote Crocs. Jetzt ging er über die Straße und betrat den Kirchhof. Dort blieb er auf dem Pfad stehen und schaute hinter sich, dann drehte er sich langsam auf der Stelle und betrachtete die kopfsteingepflasterten Straßen, die Reihenhäuser, die beiden Kirchen und das Moor dahinter.
    »Der war noch nie hier«, flüsterte Joe.
    Tom nickte. Der Fremde ging an den Jungen vorbei und erreichte den Haupteingang der Kirche. Er zog einen Schlüssel aus der Tasche. Einen Augenblick später schwang die Tür auf, und der Mann ging hinein. Gerade, als Jake Knowles am Eingang des Kirchhofs erschien. Tom stand auf und sah sich um. Billy Aspin war hinter ihnen. Dann tauchten auch die anderen hinter Grabsteinen auf oder kamen über die Mauer geklettert. Die Brüder waren umzingelt.

2
     
    »Es hat drei Stunden gebrannt, bevor sie’s löschen konnten. Und sie haben gesagt, die Temperatur da drin, direkt am … Ich weiß nicht mehr, was sie gesagt haben …«
    »Am Brandherd?«, schlug Evi vor.
    Die junge Frau, die ihr gegenübersaß, nickte. »Ja, genau«, bestätigte sie. »Am Brandherd. Sie haben gesagt, da wäre es gewesen wie in einem Hochofen. Und ihr Zimmer war genau darüber. Sie konnten nicht ans Haus rankommen, schon gar nicht ins Obergeschoss, und dann ist die Decke eingebrochen. Als sie’s schließlich geschafft haben, das Ganze genug abzukühlen, konnten sie sie nicht finden.«
    »Keine Spur von ihr?«
    Gillian schüttelte den Kopf. »Nein, gar nichts«, antwortete sie. »Sie war doch so klein, verstehen Sie. So winzige, weiche Knochen.«
    Gillians Atmen ging wieder schneller. »Irgendwo habe ich gelesen, es wäre ungewöhnlich, dass Menschen … völlig verschwinden, aber es ist schon vorgekommen«, fuhr sie fort. »Das Feuer verbrennt sie ganz einfach.« Die junge Frau begann krampfhaft nach Luft zu schnappen.
    Evi stemmte sich in ihrem Sessel hoch, und sofort meldeten sich die Schmerzen in ihrem linken Bein. »Gillian, es ist okay«, beschwichtigte sie. »Kommen Sie erst mal wieder zu Atem. Ganz ruhig.«
    Gillian legte die Hände auf die Knie und ließ den Kopf sinken, während Evi sich ihrerseits darauf konzentrierte, ihre eigene Atmung unter Kontrolle zu bringen, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die Schmerzen in ihrem Bein. Die Uhr an der Wand verriet ihr, dass 15 Minuten der Sitzung vergangen waren.
    Ihre neue Patientin Gillian Royle war arbeitslos, geschieden und Alkoholikerin. Sie war sechsundzwanzig. In dem Überweisungsschreiben des Hausarztes hatte etwas von »übermäßig langer und abnormaler Trauer« nach dem Tod ihrer siebenundzwanzig Monate alten Tochter bei einem Hausbrand vor drei Jahren gestanden. Laut ihrem Hausarzt litt Gillian unter schweren Depressionen, hegte Selbstmordgedanken und hatte sich schon öfter selbst Verletzungen zugefügt. Er hätte sie schon früher überwiesen, hatte er erklärt, doch der Fall sei ihm gerade erst von einer Sozialarbeiterin zur Kenntnis gebracht
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