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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller
Autoren: Sharon Bolton
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noch absolut prima fühlte, warm und glücklich, und darüber nachdachte, wie alt man wohl sein musste, um bei den Blackburn Rovers vorzuspielen – und plötzlich … na ja … fühlte er sich nicht mehr prima. Aber alles war in Ordnung, außer dass ihn etwas drängte, sich aufzusetzen. Zu schauen, was in der Nähe los war. Ob da jemand …
    Bescheuert. Aber er richtete sich trotzdem auf, blickte sich um und fragte sich, wie Joe es geschafft hatte, schon wieder zu verschwinden. Weiter unten am Hügel erstreckte sich der Friedhof über die Länge eines Fußballfelds und fiel immer steiler ab. Dann kamen ein paar Straßen mit Reihenhäusern und dahinter wieder Wiesen. Hinter diesen Wiesen, am Grund des Tals, lag der Nachbarort Goodshaw Bridge, wo für ihn und Joe am Montagmorgen die Schule wieder anfangen würde. Jenseits des Tales erstreckten sich auf allen Seiten die Hochmoore. Jede Menge Hochmoore.
    Toms Dad sagte gern, wie toll er die Moore fand, die Wildheit, die Erhabenheit und die absolute Unberechenbarkeit der Natur hier oben im Norden von England. Tom war natürlich derselben Meinung wie sein Dad, er war ja auch erst zehn. Insgeheim jedoch überlegte er manchmal, ob eine Landschaft, die berechenbar war – er hatte das Wort nachgeschlagen, er wusste, was es bedeutete –, vielleicht gar nicht so schlecht wäre. Manchmal kam es Tom so vor, als wären die Moore um sein neues Zuhause herum ein kleines bisschen zu unberechenbar. Obwohl er das niemals laut sagte.
    Natürlich war er ein Idiot, das verstand sich von selbst.
    Aber irgendwie schien Tom ständig ein neuer Felsbrocken aufzufallen, ein winziges Tal, das vorher nicht da gewesen war, ein Heidekrautflecken oder eine Baumgruppe, die über Nacht aufgetaucht war. Manchmal, wenn die Wolken rasch am Himmel dahinzogen und ihre Schatten über den Boden jagten, kam es Tom so vor, als bildeten sich Wellen auf dem Moor, wie bei Wasser, wenn sich etwas unter der Oberfläche bewegte. Oder es regte sich wie ein schlafendes Ungeheuer, das aus dem Schlaf gerissen wird. Und hin und wieder, wenn die Sonne auf der anderen Seite des Tals unterging und es dunkel wurde, konnte Tom sich des Gedankens nicht erwehren, dass die Moore ringsum näher herangekrochen waren.
    »Tom!«, schrie Joe von der anderen Seite des Friedhofs her, und zur Abwechslung bedauerte Tom es einmal nicht, seinen kleinen Bruder zu hören. Der Stein unter ihm war kalt geworden, und über ihm waren Wolken aufgezogen.
    »Tom!«, rief Joe abermals. Er schrie ihm diesmal fast ins Ohr. Mann, Joe, das ging aber schnell! Tom sprang auf und drehte sich um. Joe war nicht da.
    Rund um den Kirchhof begannen die Bäume zu rauschen. Der Wind nahm wieder zu, und wenn der Wind auf dem Hochmoor es wirklich ernst meinte, kam er überall hin, selbst an geschützte Stellen. In den Büschen, die Tom am nächsten waren, bewegte sich etwas.
    »Joe«, sagte er leiser, als er eigentlich wollte. Denn der Gedanke, dass sich irgendjemand, und sei es Joe, in diesen Büschen versteckte und ihn beobachtete, gefiel ihm überhaupt nicht. Er starrte die großen, glänzenden grünen Blätter an und wartete darauf, dass sie sich noch einmal rührten. Es waren Lorbeerbüsche, hoch, alt und dicht. Der Wind nahm definitiv an Stärke zu; jetzt konnte er ihn in den Baumwipfeln hören. Die Lorbeerbüsche vor ihm bewegten sich nicht.
    Wahrscheinlich war es nur ein komisches Echo gewesen, das ihm vorgegaukelt hatte, Joe sei ganz in der Nähe. Doch Tom hatte wieder dieses Gefühl, jenes Kitzelgefühl, das er immer dann bekam, wenn ihm jemand bei etwas Verbotenem zusah. Und außerdem, hatte er nicht eben Joes Atem im Nacken gespürt?
    »Joe?«, versuchte er es abermals.
    »Joe?«, kam seine eigene Stimme zurück. Tom machte zwei Schritte rückwärts und prallte gegen den Grabstein. Dann schaute er sich gründlich um, ob auch wirklich niemand in der Nähe war, und kauerte sich hin.
    In dieser Höhe waren die Lorbeerbüsche nicht so dicht belaubt. Zwischen Brennnesseln konnte Tom mehrere kahle Zweige des Gesträuchs erkennen. Und er sah noch etwas anderes, einen vagen Umriss, von dem er nur sagen konnte, dass es keine Pflanze war. Es sah ein bisschen so aus wie … wenn es sich bewegte, würde er es vielleicht besser erkennen können … ein großer und sehr schmutziger menschlicher Fuß.
    »Tom, Tom, komm her und schau dir das an!«, rief sein Bruder und klang diesmal, als sei er kilometerweit weg. Tom ließ sich nicht zweimal bitten. Er sprang auf
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