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Blutbeichte

Blutbeichte

Titel: Blutbeichte
Autoren: Alex Barclay
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schaute aus dem Fenster.
    Es war spät am Abend, als sie ins Büro zurückkehrten. Die Stimmung war gedrückt. Noch schlimmer als eine ins Stocken geratene Ermittlung war es, immer wieder auf vielversprechende Spuren zu stoßen, die letztendlich in Sackgassen endeten.
    »Weißt du, was morgen ist, Danny?«, fragte Joe.
    »Nein.«
    »Meine Operation.«
    Danny lachte. »Suchst du jetzt nach einer Möglichkeit, den Eingriff zu umgehen? Ah, ich weiß. Du erwartest von mir, dass ich sage: Du kannst nicht ins Krankenhaus, weil du zu erschöpft bist oder weil die Ermittlungen ohne dich ins Stocken geraten. Spekulierst du darauf?«
    »Das wäre nicht schlecht.«
    »Ja, aber ich sage es nicht. Du musst dich operieren lassen. Du willst, dass es ein Spezialist ist, der dir ein Loch ins Gesicht bohrt, nicht wahr? Und kein Anfänger.«
    Joe senkte den Kopf. »Ein Loch in mein Gesicht bohren …«
    »Ja, genauso wird es gemacht. Ganz tief und ganz langsam.«
    Joe seufzte. »Soll ich hingehen oder nicht?«
    »Geh«, sagte Danny. »Du hast einen Tag frei. Wir werden schon ohne dich überleben. Ruh dich aus.«
    »Wer ruht sich denn in einem Krankenhaus aus?«
    »Was weiß ich.«
    Joe stand auf. »Okay. Okay. Ich gehe nach Hause, lege mich ein paar Stunden aufs Ohr, und dann fahre ich und lass das Gemetzel über mich ergehen.«
    Danny stand auf und reichte ihm die Hand. »Mach dir keine Sorgen. Wir haben hier alles im Griff.«
    »Okay. Halt mich auf dem Laufenden.«
    »Viel Glück für die Operation.«
    »Danke.«
    »Noch ein paar letzte Worte?«, scherzte Danny.
    »Sehr lustig.«
    »Ich bewahre sie für dich auf.«
    »Okay.«
    »Okay. Wir sehen uns.«
    »Übermorgen.«
    »Bist du sicher?«
    »Halt die Klappe.«
    »Ich erkundige mich bei Anna, wie es gelaufen ist.«
    »Tu das.«
    »Du gehst hin, lässt es machen, und dann bist du da auch schon wieder weg, nicht wahr?«

30
    »Detective Lucchesi?« Ein großer dünner Mann betrat das Krankenzimmer. »Ich bin Dr. Branfield. Ich nehme heute Morgen den Eingriff vor.«
    »Oh … äh, ja. Wie geht es Ihnen, Doktor?«, fragte Joe.
    Branfield lächelte. » Mir geht es gut. Ich wollte Sie nur beruhigen, dass es ein kleiner Eingriff ist. Und ich habe diesen Eingriff häufiger gemacht als jeder andere Chirurg hierzulande. Für mich ist das wie ein Spaziergang durch den Park. Und für Sie auch … sofern Sie normalerweise im Liegen und unter Narkose spazieren gehen.«
    Joe lächelte verhalten.
    »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, fuhr Branfield fort. »In dreißig Minuten ist die Sache vergessen. Ehe Sie sich versehen, sind Sie hier wieder raus und können wieder Steaks essen.« Er wandte sich zum Gehen. »Wir sehen uns dann im Operationssaal.«
    Joe hatte gehofft, diesen Satz nie im Leben zu hören. Er hatte nichts im Magen, hatte aber das Gefühl, einen Stein verschluckt zu haben. Er sank zurück aufs Kissen und legte einen Arm über den Kopf.
    Was tue ich hier?
    Sein Handy piepte. Anna hatte ihm eine SMS geschrieben: »Viel Glück. Wir denken alle an dich. Gruß und Kuss.«
    »Sind Sie bereit?«, erklang eine fröhliche Stimme vom Gang.
    »Klar«, entgegnete Joe, obwohl sein Körper und sein Verstand eine ganz andere Sprache sprachen.
    Als der Krankenpfleger ihn zur Narkose in den OP-Vorbereitungsraum schob, starrte Joe an die Decke und betrachtete die Neonlampen, die über seinen Kopf hinwegzogen. Der Krankenpfleger redete mit schneller Stimme über die Reichweite seines Handys und wie schlecht ihm seine neue Wohnung gefiel. Joe hätte ihn am liebsten erwürgt. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und presste sie an seinen Körper, wobei er sich zu entspannen versuchte, doch er schnappte wie ein Ertrinkender nach Luft. Der Krankenpfleger blickte ihn an.
    »Keine Bange«, sagte er. »Atmen Sie ein paar Mal tief ein. Das hilft. Ein. Aus. Ein. Aus.«
    Joe schaute dem Krankenpfleger in die Augen und begriff, dass dieser Mann der Einzige war, der ihn daran hätte hindern können, in einem OP-Hemd auf die Straße zu laufen. Er passte seine Atmung dem »Ein-aus«-Rhythmus des Krankenpflegers an.
    »Okay«, sagte der Krankenpfleger fröhlich. »Alles wieder gut. So, wir sind da.«
    Joe drehte den Kopf ruckartig zur Tür. »Das ging aber schnell.«
    »Ja. Jetzt geht’s los.«
    Der Krankenpfleger überließ Joe dem wartenden Operationsteam und verabschiedete sich. In einer Ecke des Raumes wandte der Arzt sich von einer Gruppe lachender OP-Schwestern ab. Eine Krankenschwester kam zu Joe
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