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Blutbeichte

Blutbeichte

Titel: Blutbeichte
Autoren: Alex Barclay
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nachdem die Polizei auf ihn aufmerksam geworden war. Er hat bestimmt geahnt, dass wir es früher oder später herausbekommen hätten.«
    Julia schüttelte den Kopf. Trotz ihres Schluchzens gelang es ihr, Joe zu sagen, dass es nicht seine Schuld sei. Sie nahm das Taschentuch, wischte sich über die Augen und putzte sich die Nase, ehe sie den Blick hob. Dann brach sie erneut in Tränen aus, und es dauerte einige Zeit, ehe sie sprechen konnte. Joe wartete schweigend. Er schaute aus dem Fenster und lauschte den Geräuschen auf dem Parkplatz vor dem Gebäude.
    »Die Weihnachtsbeleuchtung in dem Haus«, sagte Julia. »Sie war … Robin und ich haben sie immer aufgehängt. Als Robin starb, hat es mein Ehemann getan. Und als er mich verließ, hat Stan mir geholfen. Er konnte mir helfen, ohne … Wie hat er das geschafft? Warum denke ich gerade jetzt an die Weihnachtsbeleuchtung? Das ist mir als Erstes eingefallen …«
    »Stanley muss aus irgendeinem Grund beschlossen haben, sich nie zu stellen. Dann aber erkannte er, dass er mit der Schuld nicht leben konnte. Es dauert den Bruchteil einer Sekunde,um sich zu entscheiden, ob man weiterfährt oder nicht. Und hat man sich entschieden, gibt es kein Zurück mehr. Er war wohl der Meinung, dass es für ihn das Beste wäre, wenn er irgendwie Kontakt mit Ihnen aufnimmt. Vermutlich hat er auf diese Weise sein Gewissen beruhigt.«
    »In Ihrem Job bekommt man viel zu sehen. Glauben Sie, die Menschen sind schlecht?«
    »Einige Menschen, ja.«
    »Glauben Sie, Stan war ein schlechter Mensch?«
    Joe schüttelte den Kopf. »Stan hat einen großen Fehler gemacht. Er hatte zu dem Zeitpunkt hart gearbeitet, um das zu schaffen, was er damals erreicht hatte. Er dachte an seine eigene Familie. Er dachte nicht an …«
    »An meine. An mich. Aber er ist ein so …«, die Worte kamen ihr nur schwer über die Lippen, »ein so liebenswerter Mann.«
    »Das bezweifle ich nicht.«
    »Woher wissen Sie, dass er es war?«
    »Als wir ihn geschnappt haben, weil er Marys Briefe eingeworfen hatte, dachte ich, wir hätten unseren Killer gefunden. Das schlechte Gewissen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Und als er im Verhörraum saß, hatte ich den Eindruck, als wäre er erleichtert. Doch als wir ihm sagten, warum wir ihn verhaftet hatten, schien er überrascht zu sein. Wir wussten, dass er nicht der Killer war. Doch später kam mir der Gedanke, er könnte vielleicht doch etwas auf dem Kerbholz haben. Ich dachte, er hätte vielleicht bei seiner Arbeit gepfuscht. Wir haben ihn überprüft. Wir sprachen mit den Detectives, die den Fall damals bearbeitet hatten. Sie kannten die letzten Buchstaben der Beschriftung des Firmenwagens, den eine Zeugin am Tatort gesehen hatte. Ein Buchstabe war falsch …« Joe zuckte mit den Schultern. »Wir haben dann die einzelnen Puzzleteile zusammengefügt.«
    »Stan war seit Beginn des Klinik-Projekts dabei. Ichwusste, dass er zu besonders günstigen Preisen für uns gearbeitet hat. Er kam nie zu spät. Er war immer freundlich. Er war zuverlässig. Er trank nicht und nahm keine Drogen. Und er hatte ein gutes Herz.« Julia schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie ich mich jetzt fühle. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Ich weiß es auch nicht.«
    »Warum ist mir nichts aufgefallen? Nichts! Ich hatte niemals den geringsten Zweifel …«
    »Ich bin kein Psychologe«, sagte Joe. »Und ich war in meinem ganzen Leben noch nie bei einem. Ich glaube aber, wenn Sie sich jetzt jede Begegnung mit Stanley Frayte und jedes Wort, das Sie mit ihm gewechselt haben, in Erinnerung rufen, werden Sie es nie verarbeiten.«
    Julia starrte in die Ferne und nickte. »Und vielleicht würde dann all seine gute Arbeit ihren Wert verlieren. Ich habe mir schon mein letztes Gespräch mit Robin immer wieder in Erinnerung gerufen, sodass ich fast verrückt wurde. Es ist das alte Klischee – es war ein Streit. Wir hatten uns angeschrien. Ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Man glaubt, man hätte die Chance, nach einem Streit alles wieder geradezubiegen, und man erwartet, die Chance würde sich immer bieten. Der andere verschwindet im Zorn, und man sagt sich, ›na gut, lass ihn gehen‹, denn man meint, dass man sich später entschuldigen kann.« Sie zuckte mit den Schultern.
    »Ich bin sicher, Ihr Sohn hatte ähnliche Gedanken. Er hat bestimmt damit gerechnet, dass er nach Hause zurückkehren und alles wieder in Ordnung bringen kann.«
    Mit einem verhaltenen Lächeln wandte Julia den Kopf ab und
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