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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz
Autoren: Timo Leibig
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ihres Bruders hörte, fuhr sie zu ihm herum.
    Alexander zuckte aber nur ausdruckslos mit den Schultern. »Er wollte Erik den Hals brechen, also habe ich ihn umgebracht.«
    Vater Jan seufzte bitter. »Das war unser ehemaliger Priester.«
    Für einen langen Moment versank der Mönch in tiefes Schweigen, dann wandte er sich wieder Natalja zu.
    »Was die anderen Dinge betrifft, besteht kein Mangel. Medikamente lagern haufenweise in unserem Infirmarium – der Krankenstation. Heizen können wir mit Holz bis ihr grau und runzelig seid. Daran wird sich nicht so schnell etwas ändern und was Strom anbelangt, wir haben ein Notstromaggregat in der Garage stehen, sobald die Stromversorgung weltweit zusammenbricht. Dazu einen gewaltigen Tank voller Diesel. Deine Sorgen sind unbegründet. Wir können hier vollkommen autark leben.«
    Natalja nickte. Sie verstand, was Burkard ihr mitteilen wollte: Sie brauchte sich vor nichts zu fürchten. Für alles war gesorgt worden.
    Aber zwei Angelegenheiten brannten ihr noch auf der Seele. Sie gab sich einen Ruck. Die Fragen mussten geklärt werden.
    »Wird von mir ebenfalls erwartet, dass … dass ich Menschen töte?« fragte sie leise. »Raphael sprach von Tornados und Tsunamis. Ich … ich weigere mich, an einem Massenmord beteiligt zu sein.«
    »Mord ist in diesem Fall eine schwierige Wortwahl«, entgegnete Vater Jan. »Das Leben endet immer mit dem Tod. Die Natur hat uns Menschen erschaffen und in ihrem Sinne ist es auch, dass wir sterben. Nun hat sie beschlossen, einige Menschen früher sterben zu lassen. Wir führen diesen Befehl nur aus. Ich sehe es nicht als Mord an, da es nicht meine bewusste Entscheidung ist. Ich bin in diesem Fall nur das Werkzeug.«
    Sein Blick glitt zu Alexander und deutete auf das Arsenal an Waffen, das immer noch um seinen Körper hing.
    »Die Pistole ist auch nur ein Werkzeug. Sie führt den Befehl des Schützen aus, aber sie wird nie von sich selbst behaupten, dass sie mordet. Sie schießt nur eine Kugel ab. Der Schütze mordet. Verstehst du, was ich sagen will?«
    Natalja nickte. Trotzdem hörte es sich in ihren Ohren fremd an. Nicht richtig nach ihren Wertvorstellungen.
    Der Mönch spürte offensichtlich immer noch ihren Zweifel, denn er fragte: »Du hast dich doch selbst entschieden, mit deinem Bruder ein neues Leben zu beginnen. Er ist wirklich ein Massenmörder.«
    »Ja, aber … aber er ist mein Bruder!«
    »Und wir?« konterte Vater Jan. »Sind wir hier nicht auch dann deine Brüder?«
    Die Argumentation saß. Nickend gab sie sich geschlagen und senkte ihr Haupt. Was hätte sie auch antworten sollen. Er hatte Recht. Sie hatte sich entschieden, ihrem Bruder seine grausigen Taten zu verzeihen. Warum dann nicht auch diesen Männern hier?
    »Und … dürfen … Elias und ich … weiterhin zusammen sein?«
    Vater Jan nickte. »Natürlich. Wir sind zwar ein Kloster, aber keines mit einem Zölibat. Auf so eine abstruse Idee würde Mutter Natur nie kommen. Im Gegenteil! Wir begrüßen es sehr, ein Paar in unseren Reihen aufzunehmen. Daraus kann nur Gutes gedeihen.«
    Nur Gutes gedeihen – Die Worte klangen glockenhaft in ihren Ohren nach. Noch bevor sie verstummt waren, traf Natalja eine Entscheidung.
    »Schwester Natalja«, flüsterte sie leise.
    Einige Herzschläfe lang herrschte Stille.
    »Eine gute Wahl«, hörte sie Burkard dann erleichtert sagen. »Es ist mir eine große Ehre, die erste Schwester willkommen zu heißen. Willkommen, Schwester Natalja.«
    Natalja blickte auf und bemerkte wie sich der Mönch vor ihr verbeugte. Sie tat es ihm nach.
    Danach wandte er sich an ihren Bruder, der nach seinen wenigen Worten wieder in Schweigen verfallen war.
    Natalja bemerkte, dass es hinter Alexanders Stirn heftig ratterte. Sie kannte ihn zwar erst wenige Stunden, aber jeder hätte es ihm angemerkt. Seine Stirn lag in tiefen Falten, seine Augen blickten abwesend in die Dunkelheit der Bäume.
    »Und was ist mir dir, Alexander Kowalski?«
    Natalja spürte Anspannung in sich aufsteigen. Ihr Herz begann nervös zu klopfen und ihre Finger zitterten. Sie hatte nicht den blassesten Schimmer, wie er sich entscheiden würde. Sie hoffte inständig, dass es nicht zu einem weiteren Blutvergießen kommen würde. Sie wusste nicht, wer dann leben und sterben würde. Nachdem sie erlebt hatte, wie mühelos Vater Jan ihren Entführer Johannes mit seiner übernatürlichen Kraft niedergestreckt und wie er Reimunds Mächte zerstört hatte, zweifelte sie, dass Alexander von hier
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