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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew
Autoren: Stephen King
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seinen eigenen Fußspuren anlangte. Stella glaubte nicht, dass sie sich so etwas leisten konnte. Schneefall heute, in der Nacht und morgen, hatte es im Wetterbericht geheißen, und in dieser konturenlosen weißen Welt würde sie nicht einmal wissen, ob sie wieder bei ihren eigenen Fußspuren angelangt war, denn der Wind und der Neuschnee würden sie schon lange vorher einhüllen.
    Trotz der zwei Paar Handschuhe spürte sie ihre Hände nicht mehr, und ihre Füße waren schon seit einiger Zeit taub vor Kälte. In gewisser Weise war das sogar eine Erleichterung, denn dadurch nahm sie auch die Arthritis nicht mehr wahr.
    Stella begann künstlich zu hinken und zwang ihr linkes Bein zu größerer Leistung. Die Arthritis in ihren Knien war nicht eingeschlafen, und die Schmerzen wurden immer heftiger. Vor Anstrengung bleckte sie die Zähne (sie hatte immer noch ihre eigenen, und nur vier fehlten), blickte starr geradeaus und wartete darauf, dass das gelbschwarze Schild aus dem umherwirbelnden Weiß auftauchen würde.
    Aber es tauchte nicht auf.
    Etwas später bemerkte sie, dass das strahlende Weiß zu einem eintönigeren Grau zu verblassen begann. Es schneite immer dichter und heftiger. Sie spürte zwar noch die feste Schneekruste unter ihren Füßen, aber jetzt musste sie durch fünfzehn Zentimeter hohen Neuschnee stapfen. Sie schaute auf ihre Uhr, doch sie war stehen geblieben. Stella dachte, dass sie zum ersten Mal seit zwanzig oder dreißig Jahren vergessen haben musste, die Uhr aufzuziehen. Oder war sie einfach endgültig stehen geblieben? Die Uhr hatte früher ihrer Mutter gehört, und Stella hatte sie zweimal Alden aufs Festland mitgegeben, wo Mr. Dostie in Raccoon Head sie zuerst gebührend bewundert und dann gereinigt hatte. Zumindest ihre Uhr war auf dem Festland gewesen.
    Etwa eine Viertelstunde, nachdem sie das Abnehmen des Tageslichtes bemerkt hatte, fiel sie zum ersten Mal hin. Einen Augenblick blieb sie so, auf Händen und Knien, und dachte, wie leicht es doch wäre, einfach hierzubleiben, sich möglichst klein zu machen und dem Wind zu lauschen, aber dann gewann ihre Entschlossenheit, mit deren Hilfe sie so viel schwierige Lebenssituationen gemeistert hatte, wieder die Oberhand, und sie richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Sie stand im Wind, blickte geradeaus und strengte ihre Augen an … aber sie konnten nichts sehen.
    Bald wird es dunkel sein.
    Nun, sie musste vom richtigen Weg abgekommen sein, nach rechts oder links, andernfalls hätte sie inzwischen schon das Festland erreicht. Sie glaubte jedoch nicht, sich so total verirrt zu haben, dass sie sich jetzt parallel zum Festland oder gar wieder in Richtung Goat Island bewegte. Ein innerer Kompass in ihrem Kopf sagte ihr, dass sie das Hinken übertrieben hatte und zu weit nach links geraten war. Bestimmt ging sie immer noch auf das Festland zu, aber jetzt in einer zeitraubenden Diagonale.
    Jener innere Kompass wollte, dass sie sich rechts hielt, aber sie hörte nicht auf ihn. Stattdessen ging sie geradeaus weiter, stellte aber das künstliche Hinken ein. Ein Hustenanfall schüttelte sie, und wieder färbte sich der weiße Schnee rot mit ihrem Blut.
    Zehn Minuten später (das Grau nahm eine immer dunklere Schattierung an, und sie war jetzt umgeben vom gespenstischen Zwielicht eines dichten Schneesturms) stürzte sie erneut, und diesmal gelang es ihr erst beim zweiten Versuch, wieder auf die Beine zu kommen. Sie stand schwankend im Schnee, konnte sich im Wind kaum noch aufrecht halten und spürte, wie Schwächewellen sie überkamen und ihr abwechselnd ein Gefühl von Schwere und Leichtigkeit verliehen.
    Vielleicht rührte das dumpfe Brausen in ihren Ohren nicht nur vom Wind, aber es war mit Sicherheit der Wind, dem es endlich gelang, ihr Aldens Mütze vom Kopf zu reißen. Stella versuchte, sie zu erhaschen, aber der Wind wirbelte sie außer Reichweite, ließ den leuchtend orangefarbenen Tupfen durch das dunkle Grau tanzen; dann rollte er sie ein Stückchen durch den Schnee, hob sie wieder auf und blies sie so weit weg, dass Stella sie nicht mehr sehen konnte. Gleichzeitig fegte er durch ihr Haar und zerzauste es kräftig.
    »Macht nichts, Stella«, sagte Bill. »Du kannst meine aufsetzen.«
    Sie schnappte nach Luft und schaute sich nach allen Seiten um. Sie hatte sich mit den behandschuhten Händen unwillkürlich an die Brust gegriffen, und sie spürte, wie scharfe Fingernägel sich in ihr Herz krallten.
    Zunächst sah sie nichts als das dichte
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