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Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen
Autoren: Thomas Kuban
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Hals.«
    Sie sollte Recht behalten. In den folgenden Jahren zogen meine Videorecherchen auch juristische Konsequenzen für einige Nazis nach sich – zumindest dort, wo Polizei und Staatsanwaltschaft solide Nachermittlungen anstellten, nachdem mein Material im Fernsehen gelaufen war.
    Das Forenmitglied »Dirlewanger« tröstete die Betroffenen schon vorab: »Ich wünsche allen, die deswegen Ärger haben, durch den Bericht, viel Kraft und Durchhaltevermögen. Ich hoffe, ihr lasst euch deswegen nicht unterkriegen!« Sein wegweisender Vorschlag: »Man sollte sich mal mehr Gedanken machen, legale Sachen durchzuziehen, so wie der Worch [Christian Worch aus Hamburg, eine der führenden Figuren der Neonazi-Szene; Anm. Th. K.] und andere das ja schon mal machten. Ich denke, dass sollte man auf jeden Fall nicht aus den Augen verlieren.« Die NPD hat sich in den Folgejahren verstärkt dieser Strategie bedient: Sie ließ Neonazi-Bands bei Parteikundgebungen auftreten. Auf diese Weise kamen die Rechtsrocker in den Genuss der grundgesetzlich garantierten Versammlungsfreiheit.
    Was die konspirativen Konzerte betrifft, so machte sich nach dem 5. Oktober 2003 nicht nur »Dirlewanger« Sorgen: »Es kann nicht sein, dass bei 800 Leuten die Schweine ungestört filmen können.« Im Laufe meiner fast neunjährigen Arbeit ist es mir jedoch gelungen, sogar einen Gig mit nur 50 Besuchern »ungestört« zu drehen, obwohl die Eingangskontrollen der Szene immer strenger wurden. Schon nach dem ersten Bericht von Spiegel TV schrieb einer der El | 22 | sasstouristen im Internet: »Mich hat auch gewundert, dass der Typ mit der Kamera dort reinkam, da die Leute ja am Eingang auf mögliche Kameras und Fotos geachtet haben.«
    Ein Renee, wie die weiblichen Skinheads nach der englischen Bezeichnung ihres Haarschnitts heißen, spekulierte: »Das mit der Kamera im Elsass, denke ich, war ein Mädchen.« Die Begründung: »Bin ja auch nur 1,57. Die Person wird auch nicht größer gewesen sein, oder der hatte die Cam in der Hosentasche.« Die Frau, die sich im Netz auch als »Kampfzwerg« bezeichnete, fügte noch hinzu: »Grüße an Spiegel TV , ich spuck’ euch ins Gesicht.« Ihr Kamerad »MaxRekrak« mutmaßte: »Irgendein Verfassungsschützer macht einen auf Nationalist.«
    In Verdacht gerieten im Laufe der Jahre viele: Szeneverräter, die Polizei und selbst der israelische Geheimdienst Mossad. Kameradschaftsaktivistin »Glory Unending« vermutete bereits hinter der ersten Videoattacke »das Ziel, unsere Aufbaustrukturen zu zerstören, durch gezielte Versuche, Misstrauen zu verbreiten«.
    Dieses Misstrauen fraß sich in die Szene. »Szene-Spitzel, die heimlich filmen, müssen systematisch aufgedeckt werden – Konzerte müssen unsererseits besser überwacht werden«, forderte »SilentStorm«, der als Mitglied der deutschen Szene-Kapelle »Act of Violence« bekannt wurde. Bei der CD-Release-Party dieser Band rund zwei Jahre später musste er feststellen, dass die Überwachung der Besucher gar nicht so einfach ist – auch dort habe ich mit einer Knopflochkamera gedreht, trotz Leibesvisitation im Eingangsbereich.
    Neonazis, die es hassen, sich von der Polizei filzen zu lassen, konnten es auf einmal nicht mehr erwarten, sich einer Kontrolle der »Kameraden« zu unterziehen. »Ich würde mich 1000-mal lieber durchsuchen lassen und auf Handy und Co. verzichten, anstatt mit als Kameraden getarnten Presseschmierern auf ein Konzert zu gehen«, erklärte ein nationalistischer Niedersachse im »Weltnetz«, wie das Internet in diesen Kreisen genannt wird. Der eine oder andere Skinhead mag im Abtasten der Security überdies nicht nur ein notwendiges Übel gesehen haben. Gerade bei Konzerten werden – beispielsweise in den Pausen des Pogo-Tanzens – homoero | 23 | tische Szenerituale gepflegt. Dazu zählen innige Umarmungen mit entblößten Oberkörpern.
    Die Gelegenheit, sich ausgiebig betatschen zu lassen, bekamen die Rechtsrockfans beim »White X-Mas«-Konzert 2003, das ebenfalls im Elsass stattfand. Ein Szeneportal im Internet vermeldete: »Dort angekommen, wurde man erstmal gründlich gefilzt und über die Handy-, Foto- und Rauch-Verbote informiert.« Und Forenschreiber »D2Z«, dessen Kürzel für »Death To Zionist Occupied Government« steht, berichtete mit ironischem Unterton: »Am Ort des Geschehens haben wir uns erstmal in die zirka 2 344 135 Kilometer (schätze ich mal grob .) lange Schlange gestellt und uns vom Regen befeuchten lassen.«
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