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Blut der Sternengötter

Blut der Sternengötter

Titel: Blut der Sternengötter
Autoren: Andre Norton
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Kincar den Gegenstand endlich aus seiner Umhüllung befreit hatte und im Feuerschein betrachtete, wußte er nicht recht, was er davon halten sollte. Er war sicher, daß er dieses Ding niemals zuvor gesehen hatte – ein ovaler Stein, von stumpfem Grün und glatt, als hätte er jahrelang im Wasser gelegen. Am schmaleren Ende des Steins befand sich jedoch ein Loch, durch welches eine Metallkette geschlungen war. Offensichtlich sollte der Stein getragen werden.
    Vorsichtig nahm Kincar ihn aus der Hülle in die Hand. Gleich darauf hätte er ihn vor Schreck und Überraschung fast fallen lassen, denn bei der Berührung mit seiner Haut begann der vorher so stumpfe Stein schwach zu leuchten und wurde warm, als besäße er ein Eigenleben. Kincars Finger schlossen sich fest um den Schatz.
    »Lor, Loi, Lys«, flüsterte er ehrfurchtsvoll, und ihm schien, daß bei der Nennung eines jeden dieser Namen der Stein warm pulsierte.
    Aber wie kam es, daß Regen … oder war dies sein Erbe von Wurd? Niemand in der Burg von Styr hatte je geahnt, daß ihrem Gebieter ein Tei anvertraut gewesen war. Dieser letzte Beweis von Murds Vertrauen zu ihm überwältigte Kincar. Jord mochte das Lehen erhalten, aber nicht die Obhut eines Tei. Das war ihm übertragen worden! Und nicht nur die Obhut – eines Tages vielleicht, wenn er sich als würdig erwies, konnte er möglicherweise auch die Macht des Tei benutzen! Mit den staunenden Augen eines Kindes betrachtete Kincar den Stein und versuchte, sich seine Zauberkraft auszumalen. Niemand konnte sie anwenden bis zu der Stunde, wenn die Kraft dazu ihm gegeben wurde. Für den Augenblick genügte es, daß er einen Tei hüten durfte.
    Mit zitternden Fingern legte Kincar sich die Kette um den Hals und bettete den Stein unter rauhem Hemd, Wams und Schuppenhemd auf seine Haut. Aber immer noch schien ein wenig Wärme seiner Hand anzuhaften, die den Stein gehalten hatte. Und als er seine Finger hob, um sie genau zu besehen, nahm er einen schwachen, würzigen Duft wahr. Vorken stieß einen ihrer Zwitscherlaute aus, streckte ihren großen Kopf vor und fuhr mit ihrem gezahnten Schnabel über seine Handfläche. Und Cim senkte ebenfalls seinen Kopf, als würde auch er sich von dem Zauber des Tei angezogen fühlen.
    Es war eine große Ehre, Hüter eines Tei zu sein – aber es war auch gefährlich. Der Tei konnte zwei Arten von Zauber bewirken, für und gegen die Menschheit. Und es gab Menschen, die ihn bereitwillig mit einer Schwertspitze durchbohren würden, um das zu gewinnen, was er jetzt bei sich trug – sollte man auch nur argwöhnen, daß es in seinem Besitz war. Regen hatte ihm Hilfe und Gefahr zusammengebunden in einem kleinen Stein mitgegeben.
    Ohne Sorge, in dem Bewußtsein, sich auf Vorken verlassen zu können, hüllte sich Kincar nach seinem Nachtmahl in Mantel und Decke, um die Stunden der Dunkelheit zu verschlafen.
    Er wachte von einem sanften Zwitschern neben seinem Ohr auf. Vorken war ein warmes Gewicht auf seiner Brust, und er sah gegen den schwachen Schein des sterbenden Feuers die Umrisse ihres Kopfes, der sich unruhig hin- und herbewegte. Als Kincar sich rührte und sie wußte, daß er wirklich wach war, watschelte Vorken davon und benutzte die scharfen Klauen ihrer vier Füße, um auf einen Felsblock zu klettern – bereit, sich jeden Augenblick in die Luft zu erheben, sollte es notwendig werden. Ihre Art der Verteidigung war stets ein vernichtender Angriff, auf Kopf und Augen des Feindes gerichtet.
    Kincar griff nach seinem Schwertknauf und starrte in die Dunkelheit. Von Cim kam kein Laut, was bedeutete, daß Vorkens schärferes Gehör ihnen Zeit gegeben hatte, sich vorzubereiten. Wovor sie warnte, das mochte noch weit unten am Berg sein. Das Feuer war fast erloschen, und Kincar traf keine Anstalten, es wieder zu entfachen. Seine durch lange Jagden in der Wildnis geschärften Sinne sagten ihm, daß die Morgendämmerung nicht mehr fern war.
    Vorken stieß von ihrem Posten aus immer noch leise Warnrufe aus, aber da ihre Nachtsicht ausgezeichnet war und sie sich nicht in die Luft geschwungen hatte, konnte Kincar sicher sein, daß der Eindringling, der sie beunruhigt hatte, nicht näherkam. Der Himmel war grau, und er konnte bereits die Felsen erkennen, zwischen denen sie Zuflucht gesucht hatten. Er legte Cim das Reitpolster auf und schnallte die Satteltaschen fest, obgleich er nicht aufstieg, als sie die kleine Höhle verließen. Vorken hob sich in die Luft, um vorauszufliegen. Cims Klauen
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