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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut
Autoren: Léo Malet
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zurück, wenn Sie mir diese
Bemerkung erlauben.“
    „Also ist er... Es stimmt also?“
    „Ja... Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen einen
Rat gebe. Ich habe sozusagen Erfahrung in solchen Angelegenheiten. Deswegen hat
mich Monsieur de Fabrègues übrigens zu sich bestellt. Wenn ich mich nicht noch
in Lyon amüsiert hätte, wäre er jetzt vielleicht nicht tot. Aber Sie verstehen
sicher kein Wort von dem, was ich sage, stimmt’s? Ist auch nicht so wichtig.
Wichtig ist nur, daß Sie nicht in diese Mausefalle laufen. Der Graf steckte bis
zum Hals in einer unsauberen Geschichte. Wenn Sie jetzt da reingehen, nehmen
die Flics Sie in die Mangel. Ich kassiere fünftausend Francs dafür, daß ich zu
spät gekommen bin. Ich fühle mich Pierre gegenüber in einer gewissen Schuld. Da
Sie seine Freundin waren, übertrage ich dieses Gefühl auf Sie.“
    Sie schneuzte sich und sah mich etwas weniger
ängstlich an.
    „Warum hat er das getan?“
    „Dies hier ist nicht der ideale Ort für
vertrauliche Mitteilungen. Der Flic an der Tür beobachtet uns schon. Gibt es
einen Ort, wo wir ungestörter miteinander reden können?“
    „Tja... Ich weiß nicht... Ich...“
    So hilflos und manövrierunfähig, wie sie war,
hatte ich sie beinahe soweit. Ich half noch etwas nach, und schon war es
geschafft.
    „Bei mir zu Hause vielleicht?“ schlug sie vor.
    „Gute Idee! Fahren wir zu Ihnen. Und wenn Sie
hinterher noch Lust haben, in dieses Haus zu gehen, können Sie es meinetwegen
tun.“
    Ich sagte Milandre, daß ich seine Fahrkünste im
Moment nicht mehr benötigte. Wir verabredeten uns zum Aperitif im Café Zum Roten Vogel. Dann stieg ich in den Simca und wurde der Fahrerin als
Freund von Pierre vorgestellt. Sie sah mich mißtrauisch an und startete den
Wagen.
    „Ich heiße Burma“, sagte ich. „Nestor Burma.“
Mein Name hatte nicht den gewünschten Erfolg, worüber ich fast ein wenig
enttäuscht war. „Entschuldigen Sie, daß ich mich Ihnen nicht schon früher
vorgestellt habe, aber die Straße ist für Höflichkeiten weniger geeignet. Normalerweise
wohne ich in Paris. Der Graf hatte mich kommen lassen. Aber das kann ich Ihnen
später noch genauer erklären. Zunächst interessiert mich, wie Sie von diesem...
äh... Unglücksfall erfahren haben.“
    „Das ist Mado“, sagte die junge Frau neben mir,
wobei sie auf die Fahrerin zeigte. „Sie ist zufällig hier vorbeigekommen und
hat die Leute vor dem Haus gesehen. Man hat ihr gesagt, daß Pierre sich
umgebracht hat. Da ist sie sofort zu mir gefahren, um mir Bescheid zu sagen...“
    „Eine richtige Freundin“, stellte ich fest.
    „Ja“, stimmte sie mir zu, ohne meine Ironie zu
bemerken.
    „Und wie heißen Sie?“ fragte ich.
    „Jacqueline Andrieu.“
    Der Simca hielt vor einem rosafarbenen Wohnsilo.
Wir stiegen aus. Der Lift brachte uns in die neunte Etage, wo Mademoiselle
Andrieu ein hübsches Appartement bewohnte. Aus der Einrichtung und den Fotos an
den Wänden erriet ich den Beruf der Mieterin. Sie mußte in irgendeinem
Varietétheater beschäftigt sein.
    Auf einem Mahagonitischchen stand neben einer
Vase mit duftenden Blumen eine gerahmte Fotografie. Der abgebildete Kopf wies
kein Loch an der Schläfe auf, und das ungefällige Gesicht war durch den
Fotokünstler verschönt worden. Dennoch erkannte ich sofort den Grafen, dessen
Leiche allerdings nicht so hübsch eingerahmt gewesen war.
    Jacqueline Andrieu ließ sich erschöpft auf ein
niedriges Sofa fallen und bot mir mit einer mechanischen Geste einen Stuhl an.
Ich hatte mich kaum gesetzt, als Mado auch schon zum Angriff überging:
    „Ich will Jackie keine Ratschläge erteilen, aber
Sie müssen doch zugeben, daß Sie ihre Situation ausgenutzt haben, um sich hier
einzuschleichen! Können Sie das erklären?“
    Ich brachte die Kleine mit einer ungeduldigen
Handbewegung zum Schweigen, konnte mir aber ein Lächeln nicht verkneifen. Ich
bin nun mal voller Widersprüche. Wenn ein hübsches Mädchen mich wütend
anblitzt, macht mich das glücklich.
    Ich kramte in meiner Brieftasche und zauberte
eine Visitenkarte hervor, die mich als Anwalt auswies. Ich reichte sie
Jacqueline.
    „Anwalt?“ Sie war verblüfft. „Pierre brauchte
einen Anwalt?“
    „Ja, einen Anwalt. Und zwar einen der ganz
besonderen Art. Hier, lesen Sie den Brief, den er mir geschrieben hat.“ Ich
reichte ihr den mit roter Tinte geschriebenen Brief. Jackie las ihn langsam.
    „Auf wievielen Hochzeiten tanzen Sie eigentlich?“
fragte Mado, die ihrer Freundin
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