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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut
Autoren: Léo Malet
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das unvermeidliche Ende gefreut, auf das dumme
Gesicht der heiligen Unschuld! Heute morgen erfahre ich dann auf der Straße,
daß er sich eine Kugel in den Kopf gejagt hat. Natürlich bin ich schnurstracks
zu dir gekommen, um dir die gute Nachricht zu überbringen... Er hat sich das
Leben genommen... Es soll eine Frau dahinterstecken...“
    „Sie lügen ausgezeichnet“, sagte ich, „aber
müssen Sie dabei so schreien?“
    „Ich weiß, was ich weiß“, erwiderte sie in
unverminderter Lautstärke. „Und wenn hier einer lügt, dann sind Sie es! Ihre
Geschichte mit dem Falschgeld paßt hinten und vorne nicht. Falschgeld? Warum
kein Einbruch? Vielleicht gehörte Monsieur de Fabrègues ja auch zur Bande von
Chichi-Frégi?!“
    „Ich werd’s nachprüfen“, versprach ich.
    „Nicht irgendeine krumme Sache hat ihn zum
Selbstmord getrieben“, fuhr sie unbeirrt fort. „Nein, er muß eine Frau geliebt
haben... Eine Frau, die seine Liebe nicht erwidert hat „Muß?“ hakte ich nach.
    „Na ja, egal, jedenfalls hatte Pierre die
Schnauze voll!“ rief sie mit Nachdruck.
    Sie holte Luft und strich mit zitternder Hand
die Strähne aus ihrem Gesicht. Jacqueline saß zusammengesunken auf dem Sofa und
weinte leise vor sich hin. Mado fingerte eine Zigarette aus der Tasche ihres
Sommerkostüms und steckte sie sich zwischen die bebenden Lippen. Ich strich ein
Streichholz an und näherte die Flamme dem Gesicht der Giftspritze. „Das tut
gut, was?“ sagte ich.
    „Was?“
    „Dreck schleudern! Lügen wie gedruckt, aber auch
seine Wut rausschreien, seine Enttäuschung, seine Eifersucht!“
    „Ja“, gab sie zu. „Das erleichtert.“
    „Was war das für eine Geschichte, von der du
eben geredet hast?“ flüsterte Jacqueline. „Welche Agnès?“
    Mado war jetzt wieder ganz ruhig. Langsam
antwortete sie: „Agnès Paoli, die Blumenverkäuferin vom Ex-Cargo, einem
Lokal von La Boca. Pierre hatte sie... äh... verführt.“ Bei diesem Wort zierte
sie sich richtig. „Deswegen hat er Ärger mit ihrem Bruder Antonio gekriegt. Der
hat geschworen, Fabrègues fertigzumachen. Tonio meint immer noch, die Ehre
einer Schwester muß verteidigt werden, wie im letzten Jahrhundert. Aber der
Schlappschwanz hat natürlich nichts gemacht. Der Graf jedenfalls hatte seitdem
einen Riesenschiß. Hat danach ganz genau aufgepaßt, mit wem er sich einließ...“
    „Wollen Sie damit sagen“, lachte ich, „daß Sie
auch so was wie ‘n korsischen Bruder haben?“
    „Witzbold!“ Sie lächelte mich tatsächlich an! „Nein,
aber meine Freunde sind alle jung und kräftig.“
    „Soll das eine Drohung sein?“
    „Absolut nicht.“
    Sie drehte an dem mittleren Knopf ihrer Jacke.
    „Das gefällt Ihnen, was? Klar, Sie sind ganz
verrückt nach Geständnissen, bei dem Beruf! Schmutzige Wäsche waschen und mit
Ihren dreckigen Fingern in intimen Sachen rumwühlen, das erregt Sie bestimmt...
Von mir werden Sie bestens bedient, was? Ich nehme kein Blatt vor den Mund.“
    „Erstens habe ich keine dreckigen Finger“,
widersprach ich. „Und zweitens glaube ich, daß Sie sehr wohl ein Blatt vor den
Mund nehmen. Aber das ist im Moment nicht so wichtig.“
    Ohne nach einem Aschenbecher Ausschau zu halten,
warf sie ihre Zigarette auf den Boden und trat sie aus.
    „Oh, Sie machen mir keine Angst!“ rief sie.
    „Ich hatte auch gar nicht die Absicht.“
    „Wirklich nicht? Sie Unschuldslamm! Aber genug
geredet! Auf Wiedersehn! Wenn Sie noch was von mir wollen... Sie finden mich in
der nächstbesten Bar. Muß mir einen Martini runterkippen. Den zieh ich nämlich
einem Obstsaft vor!“
    „Was auch die einzige Vorliebe sein dürfte, die
wir gemeinsam haben. Ah, einen Moment noch... Der Simca gehört doch Ihnen,
oder? Klar, Mademoiselle Andrieu ist ja zu blöd, um sich so was schenken zu
lassen... Sie sind also in Ihrem
    Wagen heute morgen an der Villa des Grafen
vorbeigefahren. War das wirklich nur reiner Zufall?“
    Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte Unruhe
in ihren Augen auf. Mados frechem Blick konnte das aber nichts anhaben.
    „Soll das ‘ne Fangfrage sein?“ fragte sie
zurück. „Ich könnte die Aussage verweigern, Herr Schnüffler. Aber da ich ein
wohlerzogenes Mädchen bin... Ja, es war reiner Zufall.“
    Knallend fiel hinter ihr die Tür ins Schloß.
    „ Da geht die Freundschaft “, summte ich vor mich hin. Jacqueline hob ihr
verweintes Gesicht.
    „Ich hätte nie gedacht, daß sie so biestig sein
kann“, sagte sie seufzend.
    „Es gibt
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