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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut
Autoren: Léo Malet
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schlimmere Freunde“, erwiderte ich,
ganz Philosoph. „Wie heißt denn diese reizende Person?“
    „Madeleine Poitevin.“
    „Tänzerin?“
    „Ja, im Eldorado. Wir gehören zur selben
Truppe.“
    „Das mit den wackelnden Schenkeln hab ich nur gesagt,
um das Gespräch richtig in Gang zu bringen. Ich wollte das nicht
verallgemeinern.“
    Jacqueline nahm meine Entschuldigung gar nicht
zur Kenntnis. Wieder wurde sie von Weinkrämpfen geschüttelt. Sie nahm meine
Hand, wie ein Kind, das Angst hat und Schutz sucht.
    „Glauben Sie“, flüsterte sie, „daß das stimmt...
was sie gesagt hat... das mit der anderen Frau?“
    Das bereitete ihr anscheinend den größten
Kummer. „Dynamit-Burma ist weder Priester noch Fakir noch Kummerkasten-Tante.
Normalerweise wird er in Herzensangelegenheiten weniger zu Rate gezogen. Mehr
kann ich dazu nicht sagen.“
    „So ein Biest!“ zischte Jacqueline hinter ihrer
Freundin her. Sie gab meine Hand frei, lehnte sich in die Kissen zurück und
heulte so richtig los. Solange sie sich nicht beruhigte, konnte ich eine
ernsthafte Unterhaltung vergessen.
    „Gehen Sie heute abend nicht zur Arbeit“, bat
ich sie. „Ich komm wieder vorbei, und dann reden wir miteinander. Bis dahin
ruhen Sie sich aus! Und versuchen Sie um Himmels willen nicht, Pierre zu... zu
besuchen. Sollte die Polizei von Ihrer Beziehung zu dem Toten erfahren und sich
über ihre Gleichgültigkeit wundern, schieben Sie die Schuld ruhig auf mich!
Sagen Sie, Sie hätten Nestor Burmas Rat befolgt. Ich sehe, mein Name sagt Ihnen
nichts; aber ich versichere Ihnen, ich bin ein ausgewachsener Detektiv mit
ausgezeichnetem Ruf...“
    „Ich danke Ihnen“, flüsterte das Mädchen und
betupfte ihre Nase. „Wie man eine Untersuchung führt, weiß ich nicht. Ich nehme
an, man wird Pierres Freunde... äh... verhören. Die Polizei hat bestimmt meine
Adresse in seinen Papieren gefunden und wird bald hier sein...“
    „Nein, wird sie nicht! Fabrègues hat tabula
rasa gemacht. Adreßbuch, Zettel, er hat alles im Kamin verbrannt, bevor
er... starb.“
    Ich verabschiedete mich. Unten erkundigte ich
mich beim Concierge nach der Verwaltung des Häuserblocks. Es war die Agentur Rosey, am anderen Ende von Cannes. Dort erfuhr ich, daß die Miete, zahlbar am 15.
jeden Monats, für Juli noch nicht eingegangen war. Normalerweise schicke
Monsieur de Fabrègues einen Scheck, so um den 10. herum, diesen Monat jedoch...
    „Wir haben bereits den 25.“, stellte der
Angestellte fest, während er seine Fingernägel polierte. „Ich mußte soeben
erfahren, daß der Graf sich... äh... daß er tot ist, und...“
    „Sie brauchen Mademoiselle Andrieu nicht damit
zu belästigen“, unterbrach ich ihn. Mir war klar, worauf er hinauswollte. „Wie
hoch ist die Miete?“
    Hoch war sie, die Miete. Ich rang mich zu einer
guten Tat durch, zahlte und verschwand.
    Aus irgendeinem Grund hatte Pierre de Fabrègues
in diesem Monat nicht die Absicht gehabt, die Miete für seine kleine Freundin
zu begleichen. Wie hatte diese alte Giftspritze noch gesagt? Jedenfalls
hatte Pierre die Schnauze voll !
    Die Kirchturmuhr schlug zwölf, als ich das Café Zum
Roten Vogel erblickte. Milandre lümmelte sich lässig in einem Korbsessel
auf der Terrasse. Hier trafen sich nette Mädchen und braungebrannte junge
Männer. Mit einer Krawatte und meiner Pariser Blässe paßte ich nicht so recht
ins Bild. Doch das war meine geringste Sorge. Bevor ich mich zu Dédé setzte,
ging ich zum Telefon. Es war mir ein paar Francs wert, meiner Sekretärin wegen
ihrer nachlässigen Arbeitsauffassung den Marsch zu blasen. Ich nannte der
Telefonistin die gewünschte Nummer und nahm auf der Terrasse Platz.
    Wir waren beim dritten Aperitif, als Ange
Pellegrini vorbeikam. Jedes unschuldige Baby hätte auf den ersten Blick seinen
Beruf erraten. Hände auf dem Rücken, gespielt gleichgültiger Rundblick, den er
jedoch wie ein Jagdhund um sich warf: Man roch den Flic auf hundert Meter.
    Er bemerkte uns sofort und kam auf uns zu.
    „Sie kommen genau richtig, um mir meinen vierten Pastis zu spendieren!“ rief ich statt einer Begrüßung.
    „Gut, daß ich Sie treffe“, brummte er, kaum daß
er sich gesetzt hatte. „Was wollten Sie mit der Anspielung auf das blaue Blut
des Grafen sagen?“
    „Nichts weiter“, antwortete ich.
    Der Kommissar hätte sich bestimmt nicht mit
dieser Auskunft zufriedengegeben, wäre nicht genau in diesem Augenblick ein
Zeitungsjunge mit einer Sonderausgabe des Littoral
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