Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bloss kein Kind

Bloss kein Kind

Titel: Bloss kein Kind
Autoren: Cornelia Lotter
Vom Netzwerk:
zu sein, bin ich aufs Internat gewechselt, aber da war es einfach schon zu spät. Es erreichte - ebenso wie die Tagesschule - nur das Gegenteil. Früher war das so ein Klosterinternat gewesen und es war dort absolut streng. Weil ich mir selber schon so viel Struktur gegeben habe - ich hatte ja meine Zwänge weiterhin - hatte ich das Gefühl durch den Druck von außen: es bleibt überhaupt nichts mehr von mir übrig.
     
    Nach einem halben Jahr bin ich von da aus in eine anthroposophische Klinik und die Zeit dort hat mir - abgesehen davon, dass ich wieder zugenommen habe - eine ganz andere Lebenssicht und Perspektive beschert. Dort gab es auch Therapien mit kreativen Medien, das hat mir sehr gut getan.
     
    Danach bin ich wieder an meine alte Schule zurück, wieder eine Klasse tiefer, weil ich das mit dem Abitur durchziehen wollte. Der Preis war hoch, doch ich habe es geschafft.
     
    Durch die Lernerei und das wieder zu Hause sein, war es mir sukzessive dann wieder schlechter gegangen und ich hatte an Gewicht abgenommen. Die Vorzeichen änderten sich erst, als ich dann von Bayern hierher nach Baden-Württemberg gezogen bin: Während ich ein Soziales Jahr und meine Ausbildung gemacht habe, was mir total gut tat, weil ich was Praktisches tun und unter Gleichaltrigen sein konnte, habe ich mir selber eine ambulante Therapie gesucht, weil ich sie für not-wendig hielt. Seitdem habe ich meine Magersucht überwunden.
     
    All das hat sicher mit dazu geführt, dass ich erst mit 27 die erste Partnerschaft hatte. Vorher waren das eher langwierige unerfüllte Verliebtheiten oder eben ganz kurze, aber ungleichsinnige Beziehungen, wo die Erwartungen unterschiedlich waren und wo schon bald klar war: ‘das ist es irgendwie nicht‘. Ein paar Jahre später hatte ich dann eine zweite, fast zehnjährige Beziehung.
     
    Doch da die Zwanghaftigkeit trotz aller Therapien bestehen blieb, waren Kinder für mich schwer vorstellbar, weil ich das Gefühl hatte, ich kann kein kindgerechtes Leben bieten. Allein schon durch meine Ansprüche an Sauberkeit und Ordnung und auch durch den großen Zeitaufwand, den mich schon kleine Tätigkeiten kosten. Ich schlaf extrem wenig, bin oft sehr, sehr erschöpft und ich hatte das Gefühl, ich kann einem Kind da gar nicht gerecht werden. Auf der anderen Seite, was so Liebe und Wärme und Lebensvertrauen und solche Dinge betrifft, da hätt ich durchaus einiges zu geben gehabt und auch zu geben. Aber trotz dieser einen Seite war da einfach die Sorge, dass ein Alltag mit Kind für mich nicht bewältigbar wäre.
     
    Viele, die mich kannten, haben das auch als begründet angesehen, haben das klar nachvollziehen können; aber es gab auch Stimmen, die gesagt haben, dass manchmal durch ein so einmaliges Ereignis wie eine Schwangerschaft und Geburt eine Art Spontanheilung eintreten könne. Aber ich hatte immer ein klares Gefühl dafür, was mir hilft und was mir nicht geholfen hat und deshalb habe ich das für mich nicht als Weg gesehen.
     
    Zwischen 30 und 35 hatte ich aber immer noch eine “Hintertür” offen. Ich habe an mir gearbeitet und habe versucht, mit den Problemen umzugehen und hatte natürlich auch immer die Hoffnung, dass ich was daran verändern kann und dass vielleicht der Zeitpunkt kommt, wo mir eine Mutterschaft durchaus vorstellbar wäre. Doch seit 5 Jahren ist es mir sehr bewusst, dass die Biologische Uhr abläuft. Und da war dann so eine Art Abschiednehmen von dem Gedanken.
     
    Damals, und das war jahrelang so, habe ich diese immer noch fortdauernde Belastung durch die Zwänge dafür verantwortlich gemacht, dass ich gesagt hab: Kinder kann ich mir nicht vorstellen. In den letzten zwei Jahren, nachdem mein Freund und ich uns nach fast 10 Jahren getrennt hatten, hat sich das ein bisschen gewandelt: Beide Partner hätten Kinder mit mir haben wollen und ich war der “Bremsklotz“. Aber im nachhinein betrachtet, war die Beziehung bereits an einem Punkt, wo eigentlich der Rückhalt, den ich mir in meinem Partner gewünscht hätte, schon nicht mehr vorhanden war. Es war keine wirklich stabile, verlässliche, tragfähige Beziehung mehr. Heute würde ich nicht ganz ausschließen, dass ich das Wagnis ‘Kind’ eingegangen wäre, wenn ich das Gefühl gehabt hätte: ja, mit dem will ich das und kann ich mir das vorstellen. Entweder wäre es einfach passiert, oder wir hätten es bewusst herbeigeführt. Also nur an meiner Krankheitsgeschichte liegt es vielleicht doch nicht, dass ich keine Kinder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher