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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman
Autoren: Robert Pobi
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und legte das Messer wieder fort.
    Eines der zwölf raumhohen Glasfenster, die auf den Ozean hinausgingen, war durch eine Platte wasserfest verleimtes Sperrholz mit hellgrün gestrichenen Kanten ersetzt worden. Das war die Stelle, wo sein Vater auf dem Weg zum Pool durch das Glas geplatzt war – mit brennenden Kleidern und wie Kerzen schmelzenden Fingern. Der Pool befand sich in der Mitte einer verwitterten, grauen Holzterrasse, ein mittlerweile grün gewordener, rechteckiger Teich, dessen Wände und Boden Pablo Picasso und sein Vater an einem weinseligen Wochenende im Jahr 1967 bemalt hatten.
    Am Rückenpolster der Couch lehnte ein Chuck-Close-Porträt, aus dem jemand die Augen herausgeschnitten hatte – zweifellos mit einem der Teppichmesser –, das geheimnisvolle Graffito eines gewissen Jacob Gansevoort Coleridge senior. Aus welchem Grund hatte sein alter Herr das getan?
    Jake blieb stehen, um einen Zettel zu lesen, der an einem der noch intakten großen Fenster klebte. Auf der herausgerissenen Seite eines Skizzenblocks stand in großer Blockschrift von der Künstlerhand seines Vaters geschrieben: DEIN NAME IST JACOB COLERIDGE . MAL WEITER .
    Jake erstarrte, und seine Augen glitten millimeterweise über die raue Oberfläche des Skizzenpapiers, während er sich darüber klarzuwerden versuchte, ob er für etwas Derartiges bereit war. Die Antwort fiel ihm nicht schwer: eigentlich nicht. Aber es war keine Frage der Wahl , er musste etwas tun. Das war der große Unterschied. Er wanderte weiter in die Küche.
    Er öffnete den Kühlschrank. Drei Dosen Leichtbier, ein paar Steaks, die für den Verzehr – durch Mensch oder Tier – schon lange ungeeignet waren, ein Dutzend Suppenbecher aus Styropor, halb voll mit einer Brühe, die auf dem besten Weg war, sich in Petroleum zu verwandeln, eine einzelne, verschrumpelte Zitrone, die aussah wie eine uralte, ausgemusterte Brust, ein Schuh, ein Schlüsselring, ein Stück vertrocknete Rasensode, ein paar Taschenbücher und zwei Teppichmesser – eines in der Gemüseschublade, eines im Butterfach. Jake schloss den Kühlschrank wieder und ließ den Blick durch die Küche gleiten.
    Es stand nicht viel schmutziges Geschirr herum, aber alles war bedeckt von einer speckigen Schicht aus Krümeln, Staubmäusen und farbverkrusteten Fingerabdrücken, die aussahen, als wären sie schon da gewesen, als das Internet erfunden wurde.
    Er öffnete wahllos eine Schublade und blickte auf ein paar hineingestopfte Gemälde, kleine Leinwände, aufeinandergestapelt wie Bücher, trostlose, unregelmäßig geformte Kleckse aus Schwarz und Grau, die ihm provozierend entgegenstarrten.
    Die Arbeiten seines Vaters waren immer düster gewesen – sowohl vom Thema als auch der Komposition her. Ein unverkennbares Markenzeichen, das ihn von Beginn an aus den Proto-Hippies seiner Generation herausgehoben hatte, die in leuchtenden Farben und mit optimistischem Pinselstrich malten. Aber die kleinen Bilder in der Schublade waren leblose Flächen aus Grau und Schwarz, durchzogen von rötlichem Geäder, das dicht unter der Oberfläche lag. Sie waren nicht klassisch. Sie waren nicht modern. Wenn Jake es recht bedachte, waren sie wahrscheinlich nicht einmal ganz normal. Andererseits, was wollte man schon von einem Mann erwarten, der Rasenstücke im Kühlschrank aufbewahrte und sich an einem Donnerstagabend selbst in Brand steckte?
    Er sah sich um und fragte sich, was aus dem Mann geworden war, den er damals zurückgelassen hatte. Der brillante Jacob Coleridge hatte so sehr abgebaut, dass er sich selbst Nachrichten schreiben musste und hirnlose Kleckse des Wahnsinns malte. Was immer Jake von seinem Vater erwartet hätte, Unbedeutendheit gehörte nicht einmal ansatzweise dazu. Jake ließ die Leinwände in die Schublade zurückgleiten und schob diese mit dem Knie zu.
    Es war schon erstaunlich, wie alles sich in Scheiße verwandeln konnte. Dreiunddreißig Jahre des Leids waren hier zu Hause. Das Gebäude stank danach. Vielleicht wäre es das Beste, wenn er eine der Zeitschriften in Brand steckte, sie ins Wohnzimmer warf, die Tür hinter sich zumachte und den Rest dem Feuer überließ. Den ganzen Ort aus dem Gedächtnis tilgte. Vielleicht war es das, was der alte Mann zu tun versucht hatte. Vielleicht hatte er am Ende genug von seiner eigenen Gesellschaft gehabt.
    Â»Hör auf
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