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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman
Autoren: Robert Pobi
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sein Vater in einem alzheimerartigen Anfall der Verwirrung selbst in Brand gesteckt hatte und dabei dem Tod so nahe wie überhaupt möglich gekommen war. Dem ausgemachten Eremiten und Workaholic war die Zeit ausgegangen. Er würde niemals wieder malen. Und sein Sohn dachte, dass sie ihn unter diesen Umständen auch gleich aus dem Krankenhaus schleifen, an einen Müllcontainer lehnen und ihm den Kopf wegblasen konnten, denn ohne seine Malerei war Jacob Coleridge nicht mehr existent.
    Mit perfektem Körpergedächtnis tasteten sich Jakes Finger in die Dunkelheit und fanden die schweren Bakelitschalter gleich neben der Tür. Knips, knips, knips. Die drei Verner-Panton-Plexiglasgloben, die den Eingangsbereich beleuchteten, erwachten brummend zum Leben. Jake stand eine Weile lang in der Tür und sah sich um, der große Halliburton-Aluminiumkoffer in seiner Hand vergessen. Der Raum hatte sich in den letzten achtundzwanzig Jahren nicht verändert – und zwar nicht nach der Terminologie eines Immobilienmaklers, der einem erzählen würde, dass renoviert werden müsse, obwohl auch das der Fall war. Nein, die Stasis des Raums reichte tiefer. Er war eine Kulisse aus einem Dickens-Roman.
    Jake trat an die Nakashima-Wandkonsole neben dem Eingang – eine große, unbehandelte Walnussplatte – und ließ seinen Schlüssel auf die verstaubte Fläche fallen, neben das Gittermodell einer Kugel, das schon da gestanden hatte, soweit er zurückdenken konnte. Spinnweben und Staubfäden klebten wie eine flaumige Haut auf der polierten Oberfläche der Stahlstäbe, und als Jake den Schlüssel hinwarf, schien sich die Haut der Skulptur zu bewegen, fast zusammenzuzucken, eine optische Täuschung im Licht des späten Nachmittags. Jake bewegte sich tiefer in den Kernbereich des Hauses hinein.
    Es war eines der ersten vollverglasten Gebäude auf der kleinen Landzunge gewesen. Ein Wunder moderner Architektur mit Steildach, Balken aus kalifornischem Redwood und einer skandinavischen Küche direkt aus dem Designstudio. Die Arbeitsbibliothek seines Vaters nahm die gesamte Wand um den aus Schieferplatten gebauten Kamin ein. Der Surfbrett-Couchtisch war übersät mit eingestaubten Kaffeetassen, Scotch-Flaschen und ungeöffneten, noch durch Gummibänder zusammengehaltenen Exemplaren der New York Times . Ein Wald aus Zigarettenstummeln füllte den großen Keramikaschenbecher am Boden. An seinem Rand war ein Stück, das wie abgebissen aussah, schlampig wieder angeklebt worden. Die Sofas standen noch an denselben Stellen, das Leder zu seidigem Glanz glattpoliert. Die Lehne eines Sessels war hastig – und wahrscheinlich im Zustand der Trunkenheit – mit Isolierband geflickt. Der Steinway seiner Mutter, der seit dem Sommer 1978 nicht mehr gespielt worden war, stand in einer Ecke. Eine von Warhols Shot Marylins – ein Geschenk, das Andy an irgendeinem Wochenende vorbeigebracht hatte, gemeinsam mit der einen Meter neunzig großen Blondine, mit der er immer herumzog – hing schief über dem angestaubten Deckel.
    Jake durchstreifte langsam das Leben seines Vaters und erforschte das letzte Vierteljahrhundert. Offenbar war Jacob schon vor einiger Zeit auf den Demenz-Zug aufgesprungen; so etwas passierte nicht einfach über Nacht. Es brauchte Zeit. Eine Menge Zeit. Und seine letzte Nummer war wirklich etwas für die Familienchronik gewesen – eine menschliche Fackel, die durchs Wohnzimmer tanzte, und als krönender Abschluss ein Sprung durch das Glasfenster in den Pool. Natürlich. Alles startklar. Houston, wir haben kein Problem.
    Die allgemeine Unordnung, die schon immer dicht unter der Oberfläche gelauert hatte, hatte sich in die Knochen des Hauses gefressen, so dass jetzt Chaos herrschte. Wie auf einem Schrottplatz hatte sich die Entropie durchgesetzt, jene oberste Regel der Mechanik. Die unvermeidlichen Flaschen, ein Muss in jedem Raum, den der große Jacob Coleridge bewohnte, lagen wie ausgeworfene Patronenhülsen herum. Jake bückte sich und hob eine auf. Der Geschmack seines alten Herrn hatte sich von Laphroaig zu Royal Lochnagar verlagert. Zumindest war er auf seine alten Tage nicht geizig geworden.
    Das Unheimliche waren die Messer – gelbe Teppichmesser, überall verstreut, immer in Reichweite. Jake las eines davon auf und schob die Klinge aus dem Griff. Sie war rostig. Es musste sie wohl im Sonderangebot gegeben haben, dachte er
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