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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman
Autoren: Robert Pobi
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was du brauchst, auch wenn es dir selbst nicht klar ist, du alter Alleswisser.«
    Wie brachte sie es nur immer fertig, dass er mit seinen Dämonen besser zurechtkam? Er sagte einfach: »Okay.«
    Â»Hör zu, ich habe morgen noch eine Probe, die aber nicht lange dauert. Jeremy und ich könnten noch rechtzeitig den Bus erwischen. Ich kann mir ein paar Tage freinehmen. Ich möchte dich mit der Sache nicht allein lassen.«
    Jakes Augen glitten fort von dem leuchtenden, beweglichen Strandbild hinter dem Fenster und blieben an dem großen Keramikaschenbecher mit dem hastig reparierten Bruchstück hängen. Wann war das passiert? Vor einunddreißig Jahren inzwischen. Seine Hand strich unbewusst über den Klumpen von Narbengewebe an seinem Hinterkopf, in dem immer noch der Schmerz aufblitzte, wenn er zu lange in grelles Licht starrte oder im Verkehr steckenblieb.
    Â»â€¦ake? Bist du noch da? Jake? Bist du –«
    Er kniff sich in die Nasenwurzel. »Wahrscheinlich bin ich doch müder, als ich dachte. Ich glaube, ich halte ein Nickerchen, vielleicht esse ich auch etwas.«
    Â»Das hört sich gut an. Nimm ein bisschen Protein zu dir. Sardinen und Frischkäse auf Mehrkornbrot, okay?«
    Er lächelte, und für seine Gesichtsmuskeln war es eine willkommene Abwechslung von der Grimasse, die seit dem Anruf aus dem Krankenhaus wie festgeschweißt an seinem Schädel saß. »Danke, Baby. Ich vermisse dich jetzt schon.«
    Â»Ich vermisse dich auch. Ruf mich an, wenn du dich einsam fühlst, auch wenn es zwei Uhr morgens ist. Abgemacht?«
    Â»Abgemacht. Tschüs, Baby.«
    Er ließ das iPhone auf die schmutzige Oberfläche des Couchtisches fallen. Staubmäuse stoben auf, und Jake dachte, dass Miss Havisham und sein alter Herr sicher gut zusammengepasst hätten, wenn die alte Jungfer auch so eine Schnapsdrossel gewesen wäre. Jedenfalls, solange sie sich darauf verstand, sich unter dem Bett zu verkriechen und die Türen zu versperren, wenn die Stunde des Wolfs von seinem alten Herrn Besitz ergriff.
    Er stieg die Wendeltreppe zur Galerie hinauf, und von dieser erhöhten Position aus sah er, dass buchstäblich auf jedem einzelnen Möbelstück des Wohnzimmers irgendetwas verstreut lag, von leeren Suppendosen und ungelesenen Exemplaren des Awake! -Magazins bis zu eher esoterischen Dingen wie einer nackten Barbiepuppe und einem alten Ölfilter. Am Kopfende der Treppe blieb er stehen und blickte auf ein Haus, das so viel größer gewirkt hatte, als er das letzte Mal hier war.
    Das Licht, das durch die großen gläsernen Rechtecke vom Atlantik hereinströmte, ließ viele der Sünden verblassen und übertünchte Staub und Unrat mit einem breiten, reinweißen Pinselstrich, vor dem Jake die Augen zusammenkneifen musste. Die Perserteppiche, sich kreuz und quer überlagernde Farbflecken, waren wie alles im Haus von Abfällen bedeckt. Drüben, bei der großen Sperrholzplatte, mit der die fehlende Scheibe vertäfelt war, sah Jake die verkohlten Fußabdrücke, die sein Vater bei seinem Alzheimer-Tanz hinterlassen hatte, die siegreiche Kombination eines Twister-Spiels für Pyromanen. Unbewusst folgte Jake ihrem Muster, das gleich links vom Kamin begann, einen Sambatakt vor dem Piano hinlegte und sich dann schnell fünf Foxtrottschritte weit nach rechts wandte, bevor es zum großen Finale in einer Pirouette wieder nach links abschwenkte und durchs Glas nach draußen auf die Terrasse krachte, wo sein Vater zum Pool gerannt war und gleich darauf in der Brühe herumzappelte wie ein kranker Fisch. Angesichts des vielen Alkohols in seinem Blut war es ein Wunder, dass er nicht einfach explodiert war und das Haus in einem weißglühenden Atompilz aufgehen ließ.
    In seinem durch das Sperrholz geteilten Gesichtsfeld sah Jake draußen das Atelier seines Vaters am Rand des Grundstücks liegen, direkt oberhalb des Strandes. Die Fenster waren dunkel, die Dachtafeln zum Teil verschwunden, zum Teil geschwärzt und verbogen – ein weiteres Bauteil in dem stark stilisierten Bild, das Jake rasch vor seinem geistigen Auge konstruierte.
    Er überlegte, ob er sich den Rest des Hauses auch noch ansehen sollte, merkte dann aber, dass es ihn eigentlich nicht interessierte. Der Schmutz und die Teppichmesser reichten ihm. Zumindest fürs Erste. Er polterte die Treppe wieder hinunter. Seine Schnallenstiefel hallten mit jedem
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