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Blitz sucht seinen Vater

Blitz sucht seinen Vater

Titel: Blitz sucht seinen Vater
Autoren: Walter Farley
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oder die Gefahr noch vergrößern? Der Stier war in der Dunkelheit stehengeblieben; er schien unentschlossen zu sein, in welcher Richtung er sich bewegen mußte. Alec hielt den Atem an. Der Stier zog pfeifend die Luft durch die Nüstern. Jetzt witterte er ihn wohl, denn die Hufschläge kamen näher; dann stand das Tier wieder still. In diesem Augenblick trat der Mond hinter den Wolken hervor. Sein Licht erhellte die Weide, und Alec erblickte den Stier.
    Weniger als dreißig Meter trennten sie. Der Bulle war ein riesiges Tier, sein Nacken ein wahres Muskelgebirge. Er senkte den Kopf und stampfte den Boden. Dann blies er wieder die Luft durch die Nüstern. Alec wußte, daß jetzt der Angriff gleich kommen würde.
    Er brauchte nur eine Sekunde zu warten, da stürmte der Stier auf ihn los. Der Anlauf des massigen Körpers erschütterte den Boden. Alec sprang zur Seite, um den Hörnern auszuweichen. Der Bulle warf den Kopf zur Seite; dabei riß die Spitze des einen Horns Alecs Hemd an der Hüfte auf und er stürzte zu Boden.
    Eine Wolke verdeckte den Mond, und der Koloß wurde von der Dunkelheit verschluckt, doch bevor Alec auf die Füße kommen konnte, wurde es wieder hell. Alec lag flach auf dem Bauch, er wußte: es gab kein Entrinnen.
    Der Stier stand über ihm und senkte den Kopf, um zuzustoßen. Glücklicherweise klafterten die Hörner so weit, daß sie Alecs Körper nicht trafen; sie wühlten nur die Erde zu beiden Seiten auf. Wieder stieß der große Kopf zu. Alec konnte nur still liegenbleiben und beten, daß das Tier, bevor es ihn traf, innehalten würde, weil er sich nicht regte. Er vergrub sein Gesicht verzweifelt im Gras, und plötzlich streifte die Spitze des einen Horns sein Genick. Er fühlte, wie ihm das Blut den Rücken hinunterrann. Dann hörte er, daß der Stier sich entfernte... Ein paar Huftritte... noch einige... jetzt hielt er an. Kam er etwa zurück? Alec hob den Kopf, um sich zu vergewissern. Der sanfte Wind hatte sich wieder aufgemacht. Alec sah, daß sich die Augen seines Angreifers auf sein flatterndes Hemd richteten, das über der Hose hing. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er richtete sich halb auf und riß sich das Hemd vom Leibe. Dann hielt er den flatternden weißen Stoff mit ausgestrecktem Arm so weit er konnte von seinem Körper ab. Sogleich richteten sich die Augen des Bullen auf das Hemd; er senkte den Kopf und raste darauf zu. Ein Horn traf den Stoff, aber der Stier schoß an Alec vorbei, ohne sich um ihn zu kümmern.
    Alec sprang auf die Füße. Das flatternde Hemd konnte ihn vielleicht retten. Der Stier hatte gewendet und fuhr zum zweitenmal wütend auf das Hemd los. Alec traute seinen Augen kaum, als die gefährlichen Hörner wiederum den Stoff zerfetzten, ihn selbst aber nicht als Ziel wählten.
    Beim nächsten Angriff ging es ihm nicht so gut. Die Spitze des einen Horns streifte seinen Arm, als der massige Körper an ihm vorbeiflog. Der Riß ging nicht tief, blutete aber stark.
    Diesmal blieb der Stier in einer Entfernung von etwa zwanzig Metern schwer atmend stehen. Die Zunge hing ihm aus dem Maul. Seine Augen hafteten an dem weißen Stoff. Alec senkte das zerfetzte Hemd zur Erde nieder — die Augen gingen mit. Er schwenkte es nach rechts — die Augen folgten. Alec trat einen Schritt rückwärts, dann einen zweiten, das flatternde Hemd weit von sich gestreckt — die Augen des Stieres folgten nicht ihm, sondern dem weißen Stoff. Alec ging weiter rückwärts, auf die Mauer zu, der Stier kam langsam nach.
    Vom anderen Ende der Koppel hörte er immer wieder das Schnauben und Brüllen der Herde; aber die Tiere näherten sich nicht. Unter seinen Füßen fühlte er weiche, von Feuchtigkeit getränkte Erde. Das Schlimmste, was ihm passieren konnte, war, jetzt hinzufallen. Es wäre sein Ende gewesen.
    Der Bulle hatte die Müdigkeit überwunden; er war bereit, abermals anzugreifen; er hob witternd die Nase und schlug heftig mit dem Schwanz. Dann setzte er sich in Bewegung; sein schwerer Körper kam nur langsam in Fahrt; erst auf den letzten paar Metern fiel er in Galopp. Alec schüttelte die flatternden Fetzen des Hemdes. Der Bulle schoß mit den Hörnern hinein und vorbei, wandte sich im selben Augenblick wie Alec um und kam zurückgerast. Wiederum flog er an Alec vorbei und blieb dann stehen. Er schien die vergeblichen Angriffe allmählich satt zu bekommen, aber seine Wut war noch nicht verflogen. Alec wich weiter zurück, ohne daß der Stier folgte. Die Mauer konnte jetzt nicht mehr
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