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Blindlings

Blindlings

Titel: Blindlings
Autoren: Desmond Bagley
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paßte auf Cookes Beschreibung. Es war klein und dafür ungewöhnlich schwer, fein säuberlich in braunes Leinen eingenäht. Ich beklopfte und schüttelte es vorsichtig. Offensichtlich handelte es sich um einen Metallbehälter. Nachdenklich betrachtete ich es, aber das brachte mich auch nicht weiter. Ich packte es wieder in die Zeitung, warf sie auf den Rücksitz und fuhr weiter. Der Regen hatte aufgehört; die Straßen waren nicht allzu schlecht, wenigstens nicht für isländische Verhältnisse.
    Mit der gewöhnlichen isländischen Straße verglichen ist ein englischer Feldweg eine Autobahn. Das heißt, sofern es überhaupt Straßen gibt. Im Innern der Insel, dem Teil, den die Isländer als Öbyggdir bezeichnen, gibt es gar keine. Im Winter ist es praktisch unzugänglich, es sei denn, man wäre so ein couragierter Forscher. Man könnte diese Gegend mit der Mondlandschaft vergleichen. Neil Armstrong hat ja auch seinen Mondspaziergang dort geübt. Ich fuhr weiter. Bei Krysuvik wandte ich mich landeinwärts, vorbei an fernen, dunstumwölkten Hügeln, wo stark erhitzter Dampf aus dem Erdinnern quillt. Kurz vor dem See von Kleifavatn entdeckte ich einen Wagen am Straßenrand. Daneben stand ein Mann, der heftig winkte - ein Autofahrer, der offensichtlich Hilfe brauchte. Wir waren beide verdammt blöd - ich, weil ich hielt, und er, weil er allein war. Er sprach mich erst in schlechtem Dänisch und dann in gutem Schwedisch an. Ich verstand beides. Natürlich stellte sich heraus, daß mit seinem Wagen irgendwas nicht in Ordnung war. Der Motor sprang nicht an.
    Ich stieg aus dem Cortina. »Lindholm«, begrüßte er mich förmlich und streckte mir seine Hand entgegen. Ich schüttelte sie, wie sich das gehört. »Ich heiße Stewart«, sagte ich, ging zu seinem Volkswagen hinüber und sah mir den Motor an. Ich glaube eigentlich nicht, daß er mich umbringen wollte, denn sonst hätte er gleich die Pistole gezogen. Statt dessen versuchte er, mich mit einem fachmännisch bleibeschwerten Totschläger unschädlich zu machen. Was für ein Idiot ich war, merkte ich erst, als er hinter mich trat. Das kommt davon, wenn man außer Übung ist. Ich drehte den Kopf, sah seinen erhobenen Arm und wich aus. Wäre der Totschläger auf meinen Kopf herabgesaust, so hätte er mein Gehirn zu Mus gemacht. So traf er nur meine Schulter, was meinen Arm von oben bis unten lähmte.
    Ich trat ihm mit meinem Stiefel kräftig ins Schienbein. Er schrie auf und wich zurück, was ich nutzte, um beiseite zu springen, so daß der Wagen zwischen uns zu stehen kam.
    Blitzschnell griff ich nach dem sgian dubh. Zum Glück ist es eine Waffe, die man auch mit der Linken handhaben kann, denn mein rechter Arm war völlig unbrauchbar.
    Wieder kam er auf mich zu, zögerte jedoch, als er das Messer sah. Er ließ den Totschläger los; seine Hand fuhr unter die Jacke. Jetzt war es an mir zu zögern. Aber sein Totschläger war wohl zu perfekt – er hing nämlich an einer Lederschlaufe um sein Handgelenk -, was den Mann wiederum in seiner Bewegungsfreiheit hinderte. Als er die Pistole endlich hervorbrachte, warf ich mich auf ihn.
    Dabei erstach ich ihn gar nicht. Er fuhr herum und stürzte sich sozusagen in die Klinge. Ein Blutschwall ergoß sich über meine Hand. Der Mann fiel gegen mich. Auf seinem Gesicht lag ein fast komisch wirkender Ausdruck von Überraschung.
    Dann sackte er vor meinen Füßen zusammen, das Messer löste sich, und immer mehr Blut sprudelte stoßweise aus seiner Brust in den Lavastaub. Da stand ich nun auf einer einsamen Straße im südlichen Island mit einer funkelnagelneuen Leiche zu meinen Füßen und einem blutigen Messer in der Hand. Mir war, als hätte mein Verstand ausgesetzt, und ich hatte einen Geschmack von Galle im Mund. Keine zwei Minuten waren vergangen, seit ich aus dem Auto gestiegen war. Ich glaube nicht, daß ich mir wirklich überlegte, was ich als nächstes tat.
    Vermutlich machte sich mein hartes Training geltend. Ich lief zum Cortina und fuhr ihn ein Stück vor, so daß er den Toten verdeckte. Zwar war die Straße einsam, doch konnte jederzeit ein Wagen vorbeikommen, und eine so auffällige Leiche hätte sich nicht ohne weiteres wegerklären lassen.
    Dann nahm ich die New York Times, die, von ihren sonstigen Vorzügen einmal abgesehen, mehr Druckseiten enthält als jede andere Zeitung der Welt, und legte damit den Kofferraum des Wagens aus. Danach setzte ich wieder zurück, hob den Toten auf, verstaute ihn im Kofferraum und schlug
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