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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen
Autoren: Lynn Abercrombie
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Schleimer wie Diggs, der die Show schmiss. Na ja, es war nicht mehr Gooch’ Problem. Er marschierte an dem jungen Detective vorbei, ging hinaus auf den mit Unkraut überwucherten Hof, griff nach der Klinge, die er gerade zur Tür hinausgepfeffert hatte, betrachtete noch einmal den Riss. Es war sogar noch schlimmer, als er ursprünglich gedacht hatte. Das Ding war beinahe in der Mitte durchgebrochen.
    »Scheiße«, sagte Gooch.
    Er ging zurück in den Schuppen und schmiss das Ding auf den Schrotthaufen. Der junge Detective klimperte nervös mit seinen Wagenschlüsseln herum. »Äh …«
    Gooch stellte das Nadelventil am Schmiedeofen herunter. Die gelbe Flamme erlosch, aber das Nachglühen des über 1200 Grad heißen Feuers in dem isolierten Innenraum wärmte sein Gesicht. Er drehte das Gas ab und überlegte, was er als Nächstes machen sollte. Vielleicht ein Wörtchen mit seinem Kumpel Jim Beam wechseln? Oder vielleicht sollte er sich heute lieber an Mr Daniels halten? Eine schwierige Wahl, wenn man so viele Freunde hatte.
    »Sir? Es geht um MeChelle. Sergeant Deakes, meine ich.«
    Gooch schaute den Jungen ausdruckslos an.
    »Sie ist weg, Sir.«
    Weg. Das konnte alles und nichts heißen. Gooch ging im Geiste die Möglichkeiten durch. Weg, tot. Weg, entführt. Weg, besoffen im Rinnstein. Weg, weg. Zum ersten Mal seit sechs Monaten hatte er das Gefühl, über etwas nachzudenken, was er begriff. Das letzte halbe Jahr hatte er die ganze Zeit das Gefühl gehabt, in Melasse zu schwimmen.
    MeChelle Deakes war also weg. Sie hatte ihre eigenen Dämonen … aber er konnte sich kaum vorstellen, dass sie einfach verschwand, ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen. Gooch sah sich im Schuppen um und machte eine Bestandsaufnahme.
    Verdrehte, geborstene, kaputte Stahlteile überall. Wen wollte er damit an der Nase herumführen? Er würde niemals gut darin sein, Schwerter zu schmieden.
    »Scheiße«, sagte Gooch zum zweiten Mal.
    Er ging wieder zur Tür raus, im Gehen schnappte er dem Jungen die Wagenschlüssel aus den Händen, dann eilte er zügig zum Haus.
    »Sir! Sir? Warten Sie!«
    Gooch ging ins Haus, stapfte in sein Schlafzimmer, öffnete die Schublade seines Nachttisches, nahm das kleine Foto eines Mädchens mit blonden Haaren und zwei fehlenden Schneidezähnen heraus. Das Bild war alt und verblasst und eselsohrig, es wurde nur noch von Klebeband zusammengehalten. Dieses Bild hatte er jeden Tag als Cop bei sich getragen, das Foto seiner Tochter klebte auf der Rückseite seiner Marke. Eine Erinnerung daran, warum er überhaupt Polizist geworden war.
    Dann ging er wieder raus. Der Junge stand an seiner Gartenpforte und wartete, die Hände nervös über seinen Genitalien verschränkt. Gooch lief einfach an ihm vorbei.
    »Sir!«, rief der Junge ihm hinterher, als Gooch auf den Wagen des Jungen zumarschierte. »Sir! Was machen Sie da? Wo wollen Sie …«
    Gooch stieg ohne ein weiteres Wort in den Wagen des Jungen und ließ den Motor an.

2
    Sgt. MeChelle Deakes war blind.
    Sie war mit diesem merkwürdigen Gefühl erwacht. Das Erste, was ihr auffiel, war der Geruch. Kein unangenehmer Geruch. Aber etwas stimmte nicht. Es roch nach neuem Teppichboden und Zement. Eine eigenartige Kombination.
    Und dann das Geräusch. Eine Uhr.
    Tick. Tick. Tick.
    Und dann … irgendetwas mit ihren Augen. Auch da stimmte etwas nicht. Aber erst als sie sich aufsetzte und versuchte, sich umzuschauen, wurde ihr klar, dass sie nichts sehen konnte. Ihre Augenlider schienen zusammenzukleben. Sie rieb sie, aber sie lösten sich nicht voneinander. Eine Augeninfektion? Da war eine dünne harte Kante ihr Augenlid entlang. Es fühlte sich nicht an wie der vertrocknete Kram, der einem aus einem kranken Auge quoll. Es war härter. Wie Plastik. Ihre Augen brannten ein wenig.
    Sie rieb weiter in der Hoffnung, dass die Substanz, die ihre Augen verklebte, sich löste, damit sie wieder sehen konnte. Aber das geschah nicht.
    Und sie konnte nichts sehen. Also war sie letztendlich wie blind. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Ein kurzer Panikanfall.
    Sie musste jemand um Hilfe rufen! Polizei? Vielleicht ihre Wache? Ihren Vater?
    Sie griff nach ihrem Telefon. Aber es war nicht da. Es müsste auf ihrem Nachttisch stehen. Aber da war kein Nachttisch. Und sie lag auch gar nicht in einem Bett. Sie lag auf Teppichboden.
    MeChelle verspürte eine eigenartige Verwirrung. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was letzte Nacht geschehen war.
    War sie saufen gewesen? Nein. Sie war
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