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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen
Autoren: Lynn Abercrombie
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Arbeit gekommen.«
    Gooch wartete auf den Rest der Geschichte, während er über den langen, ruckeligen Kiesweg rasselte, der von seinem Haus weg führte. Die Tatsache, dass MeChelle nicht zur Arbeit gekommen war, reichte ganz offensichtlich nicht aus, dass der Chief jemand aus dem Ruhestand zurückholen würde.
    Er schwang den Wagen auf den Highway 8, Richtung Newnan, wo er sich auf der Interstate einfädeln würde, mit der sie dann gen Norden nach Atlanta kämen. Er wartete immer noch auf eine anständige Erklärung, als sie die Interstate erreichten.
    Gooch fuhr von der Straße ab, zog die Schlüssel aus dem Zündschloss, stieg aus dem Wagen. Vor ihnen befand sich ein großes Sojafeld, ganz am Ende stand das große weiße Haus des Bauern. »Sir, wo wollen Sie hin?«, fragte der Junge durch das Fenster auf der Beifahrerseite.
    »Ich schmeiße gleich deinen Schlüssel in die Sojabohnen da drüben«, sagte Gooch.
    »Warum?«
    »Du verschwendest meine Zeit. Also kann ich die Gefälligkeit auch erwidern.«
    »Aber … was …« Gooch krümmte den Arm.
    »Warten Sie! Warten Sie!«, rief der Junge, krabbelte aus dem Wagen und packte Gooch’ Hand. »Okay, da ist noch etwas.«
    Gooch bog die Finger des Jungen von seinem Arm weg.
    »Also«, der Junge schluckte, »also, äh, der Chief hat mich nicht, per se, äh, geschickt.«
    Jetzt war es so weit. Die Geschichte. Bei solchen Leuten kriegte man immer erst, bevor man die Wahrheit hörte, die Geschichte. Gooch seufzte. Die Geschichte war niemals die ganze Wahrheit, aber es war eine Variante der Wahrheit – die Wahrheit plus ein dicker, dampfender Haufen selbstgerechter Scheiße. Aber man musste sie die Geschichte erzählen lassen, bevor man je die tatsächliche und ganze Wahrheit erfahren konnte.
    Cody Floss schaute entschuldigend. »Sehen Sie, Sir, es ist so – ich wurde gerade erst in die Cold Case Unit versetzt. Vorher war ich im Drogendezernat. Es hat nicht – sehen Sie, ich war nicht so besonders im –, also, mein Vater sitzt in der Fulton County Commission, und ich war nicht der beste Streifenpolizist der Welt. Aber – ich weiß auch – ich glaube, vielleicht hat mein Vater ein paar Gefälligkeiten eingefordert und ich wurde zum Detective befördert. Aber nachdem ich bei den Drogen nicht so gut klarkam, haben sie mich zu den Diebstählen versetzt, und ich weiß auch nicht warum, aber es passte nicht so besonders, ob nun wegen des Personals oder der Persönlichkeiten, jedenfalls endete ich bei den Altfällen.«
    Gooch lehnte sich an den Wagen und starrte himmelwärts. »Wie auch immer, da bin ich nun also, und Sergeant Deakes ist so eine Art Genie. Wissen Sie? Aber ein bisschen komisch. Und als sie heute also wegblieb, habe ich mir gedacht: Oh, Scheiße, was soll ich machen?«
    »Du warst bei Hicks?« Major Denny Hicks, der Leiter der Abteilung ›Kapitalverbrechen‹, war MeChelles Vorgesetzter.
    »Mehr oder weniger. Ja, Sir.«
    »Mehr oder weniger?«
    »Na ja, ich habe nur gesagt, dass sie nicht zur Arbeit gekommen ist. Und Major Hicks meinte: ›Na ja, es wäre nicht das erste Mal, dass sie Mist baut.‹ Er hat gesagt, man würde sich darum kümmern, wenn sie in zwei oder drei Tagen nicht wieder da wäre.«
    »Also hat der Chief überhaupt nicht nach mir gefragt?«
    »Äh …«
    »Großer Gott. « Gooch wartete eine Minute, damit sich die Wahrheit aus der Geschichte des Jungen herauskristallisieren konnte. Aber das tat sie nicht. Der Junge stand einfach nur da und starrte hinaus auf das Sojafeld.
    »Was hast du für Mist gebaut?«, fragte Gooch schließlich.
    »Sir?«
    »Junge, erst habe ich gedacht, du wärst einfach nur ein Idiot«, sagte Gooch. »Aber jetzt kann ich erkennen, dass es viel schlimmer ist. Wenn du mich noch einmal anlügst, drehe ich dir deinen blöden Hals um. Also, was ist los?«
    Der Junge begann zu weinen.
    »Soll mir das jetzt auch noch leidtun?«, schnauzte Gooch.
    Der Junge antwortete nicht.
    Gooch streckte den Arm aus, packte ein Haarbüschel knapp hinter dem Ohr des Jungen und drehte kräftig daran.
    »Au!« Der Kopf des Jungen zuckte hoch, und er zerrte erfolglos an Gooch’ Hand.
    »Hör auf zu heulen und rede«, sagte Gooch und ließ das Haarbüschel los.
    Cody Floss schniefte noch ein paar Mal, dann wischte er sich über das Gesicht und sagte mit dünner Stimme: »Wissen Sie, warum ich zur Polizei gegangen bin?«
    Oh, toll, dachte Gooch. So weit sind wir jetzt. Ein Geständnis.
    »Wissen Sie noch, im Jahr ’97? Der Fall, den Sie
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