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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier
Autoren: Patricia Cornwell
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derentwegen mich der Sicherheitsdienst gerade angerufen hat.«
    Er war ungefähr so alt wie ich, blondes Haar, helle blaue Augen und Haut, die gezeichnet war von zu vielen Jahren an der Sonne. Ich sah seinem Gesichtsausdruck an, dass er Anderson und den gesamten Tag verabscheute.
    »Haben Sie mir vielleicht etwas Hilfreiches mitzuteilen, bevor ich anfange?«, sagte ich laut zu Anderson, um das Gebläse und die Hubschrauber zu übertönen. »Zum Beispiel warum keine Polizisten den Fundort absichern?«
    »Nicht nötig«, sagte Anderson und stieß mit dem Knie die Autotür auf. »Hier kommt ja nicht jeder einfach so rein, wie Sie selbst gemerkt haben.«
    Ich stellte den Aluminiumkoffer ab. Anderson trat zu mir. Ich war überrascht, wie klein sie war.
    »Ansonsten kann ich Ihnen nicht viel sagen«, meinte sie. »Wir wissen nicht mehr, als Sie sehen. Einen Container mit einer stinkenden Leiche drin.«
    »Oh doch, Sie können mir noch eine ganze Menge mehr sagen, Detective Anderson«, erwiderte ich. »Wie wurde die Leiche entdeckt und wann? Haben Sie sie gesehen? Hat sich ihr jemand genähert? Wurde der Fundort irgendwie kontaminiert? Und die Antwort auf die letzte Frage lautet besser nein, sonst mache ich Sie dafür verantwortlich.«
    Sie lachte. Ich begann, den Overall über meine Kleider zu streifen.
    »Niemand ist in ihre Nähe gekommen«, sagte sie. »Dafür haben sich keine Freiwilligen gemeldet.«
    »Man muss nicht in das Ding rein, um zu wissen, was da drin liegt«, fügte Shaw hinzu.
    Ich zog die schwarzen Reeboks an und setzte die Baseballmütze auf. Anderson starrte auf meinen Mercedes.
    »Vielleicht sollte ich auch für den Staat arbeiten«, sagte sie.
    Ich musterte sie von oben bis unten.
    »Ich schlage vor, Sie ziehen sich was über, falls Sie mit rein wollen«, sagte ich.
    »Ich muss ein paar Anrufe machen«, sagte sie und schlenderte davon.
    »Ich habe nicht vor, den Leuten zu erklären, wie sie ihre Arbeit zu machen haben«, sagte Shaw zu mir. »Aber was zum Teufel ist hier eigentlich los? Da drüben liegt eine Leiche, und die Polizei schickt so eine kleine Zicke wie die da?«
    Er biss die Zähne zusammen, sein Gesicht war rot und schweißbedeckt. »Wissen Sie, hier verdient man keinen Pfennig, wenn nichts vorwärts geht«, fuhr er fort. »Und seit über zweieinhalb Stunden hat hier niemand einen Finger gekrümmt.«
    Er bemühte sich sichtlich, in meiner Gegenwart nicht zu fluchen.
    »Nicht dass es mir Leid tut, wenn jemand ins Gras beißt«, fuhr er fort. »Aber mir wäre es lieb, wenn ihr eure Arbeit erledigt und wieder abzieht.« Er blickte noch einmal finster in den Himmel.
    »Und das gilt auch für die Medien.«
    »Mr. Shaw, was wurde in dem Container verschifft?«, fragte ich ihn.
    »Deutsche Kamerateile. Das Siegel an der Verriegelung des Containers war nicht aufgebrochen. Deswegen scheint an der Fracht nicht manipuliert worden zu sein.«
    »Hat der ausländische Spediteur das Siegel angebracht?«
    »So ist es.«
    »Das heißt, dass die Person, tot oder lebendig, höchstwahrscheinlich im Container war, bevor er versiegelt wurde?«
    »So sieht es aus. Die Nummer entspricht der auf dem Eintrag des Zollbeamten, alles ganz normal. Die Ladung war bereits freigegeben. Vor fünf Tagen schon«, sagte Shaw. »Deswegen wurde der Container direkt aufs Chassis verladen. Dann kam diese Duftwolke raus, und von da an war klar, dass das Ding vorerst hier bleibt.«
    Ich sah mich gründlich um. Ein leichter Wind schlug schwere Ketten gegen die Kräne, die aus drei Verladeluken gleichzeitig Stahlbalken aus der Euroclip gelöscht hatten, bevor alle Arbeiten gestoppt wurden. Gabelstapler und Sattelschlepper standen verlassen herum. Hafenarbeiter und Schiffsbesatzungen hatten nichts zu tun und ließen uns nicht aus den Augen.
    Manche standen am Bug ihres Schiffes, andere beobachteten uns durch die Fenster des Deckhauses. Die Luft über dem ölgefleckten Asphalt flirrte, Holzpaletten, Abstandhalter und Rollen lagen herum, ein Frachtzug fuhr quietschend über eine Kreuzung jenseits der Lagerhallen. Der Geruch nach Kreosot war stark, konnte jedoch nicht den Gestank verwesenden menschlichen Fleisches überdecken, der wie Rauch in der Luft hing.
    »Wo ist das Schiff in See gestochen?«, fragte ich Shaw, als ich einen Streifenwagen bemerkte, der neben meinem Mercedes stehen blieb.
    »In Antwerpen, Belgien, vor zwei Wochen«, sagte er, während er die Sirius und die Euroclip betrachtete. »Alles Schiffe unter fremder Flagge,
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