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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier
Autoren: Patricia Cornwell
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Nach Gebrauch landeten sie in dem riesigen Waschbecken aus rostfreiem Stahl, in der Waschmaschine und dem Trockner, die nicht für normale Bekleidung bestimmt waren.
    Ich warf einen Overall, schwarze Lederreeboks und eine Baseballmütze mit der Aufschrift OCME (Office of Chief Medical Examiner) in den Kofferraum. Ich überprüfte den Inhalt des großen Halliburton-Aluminiumkoffers, den ich stets zu Tatorten mitnahm, und vergewisserte mich, dass genügend Latexhandschuhe, extradicke Plastiktüten und Wegwerftücher darin waren, ebenso die Kameraausrüstung und Filme. Schweren Herzens machte ich mich auf den Weg, Bentons Worte ließen mich noch immer nicht los. Ich versuchte, seine Stimme auszublenden, seine Augen und sein Lächeln und wie sich seine Haut anfühlte. Ich wollte ihn vergessen, und genau das war es, was mir am wenigsten gelang.
    Ich schaltete das Radio ein, während ich auf dem Downtown Expressway bis zur 1-95 fuhr und die Skyline von Richmond in der Sonne funkelte. Ich hielt an der Lombardy Toll Plaza, als mein Autotelefon klingelte. Es war Marino.
    »Wollte nur sagen, dass ich auch vorbeischaue«, sagte er.
    Ich wechselte die Spur und schnitt beinahe einen silberfarbenen Toyota, den ich im blinden Fleck des Rückspiegels nicht gesehen hatte. Der Fahrer hupte laut, überholte mich und brüllte mir Obszönitäten zu, die ich ignorierte. »Fahr zur Hölle«, rief ich ihm verärgert hinterher. »Was?«, schrie mir Marino ins Ohr. »Irgendein idiotischer Autofahrer.«
    »Ah, gut. Hast du schon mal was von Wutattacken im Straßenverkehr gehört, Doc?« »Ja, ich habe gerade eine.«
    Ich nahm die Ausfahrt an der Ninth Street und ließ Rose wissen, dass ich in zwei Minuten da wäre. Als ich auf den Parkplatz fuhr, erwartete mich Fielding mit der Ausrüstung und dem Verlängerungskabel.
    »Der Suburban ist noch nicht zurück?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte er und verstaute die Sachen in meinem Kofferraum. »Das wird ein Hallo geben, wenn Sie mit dem Wagen vorfahren. Ich sehe schon die Hafenarbeiter vor mir und die gut aussehende blonde Frau in dem schwarzen Mercedes anstarren.
    Vielleicht sollten Sie mit meinem Wagen fahren.«
    Mein durchtrainierter Stellvertreter hatte gerade eine Scheidung hinter sich gebracht und das Ereignis gefeiert, indem er seinen Mustang gegen eine rote Corvette eingetauscht hatte.
    »Das ist eine ziemlich gute Idee«, sagte ich trocken. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht. Solange es sich um eine V 8 handelt.«
    »Ja, ja, hab verstanden. Rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen. Sie wissen, wie Sie hinkommen?« »Tu ich.«
    Seiner Wegbeschreibung folgend fuhr ich nach Süden und war fast in Petersburg, als ich abbog und an der Rückseite der Philip-Morris-Werke entlang und über Gleise fuhr. Die schmale Straße führte mich durch unbebautes, mit Unkraut und Bäumen bewachsenes Gebiet und endete abrupt an einem Kontrollhäuschen. Ich kam mir vor, als würde ich die Grenze zu einem feindseligen Land überschreiten. Jenseits davon befanden sich ein Güterbahnhof und hunderte waggongroßer orangefarbener Container, die in Dreier- und Viererreihen übereinander gestapelt waren. Ein Wachmann, der seinen Job sehr ernst nahm, trat aus dem Häuschen. Ich ließ mein Fenster herunter.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein, Ma'am?«, fragte er in sachlich militärischem Tonfall.
    »Ich bin Dr. Kay Scarpetta«, sagte ich.
    »Und mit wem sind Sie hier verabredet?«
    »Ich bin hier, weil es einen Toten gegeben hat«, erklärte ich. »Ich bin Pathologin.«
    Ich zeigte ihm meine Papiere. Er nahm sie und studierte sie gewissenhaft. Vermutlich wusste er nicht, was ein Pathologe ist, und wollte auch nicht nachfragen.
    »Sie sind also die Chefin«, sagte er und gab mir die abgewetzte schwarze Brieftasche zurück. »Die Chefin von was?«
    »Ich bin die Chefin der Gerichtsmedizin von Virginia«, entgegnete ich. »Die Polizei wartet auf mich.«
    Er ging zurück in sein Häuschen und telefonierte, während meine Ungeduld wuchs. Jedes Mal, wenn ich in eine Sicherheitszone wollte, musste ich diese Prozedur über mich ergehen lassen. Früher hatte ich mein Frausein dafür verantwortlich gemacht, und damals stimmte das wahrscheinlich auch -zumindest in einigen Fällen. Mittlerweile war ich jedoch überzeugt, dass die Angst vor Terrorakten, Verbrechen und Prozessen die Erklärung war. Der Wachmann notierte eine Kurzbeschreibung meines Wagens und das Autokennzeichen. Er reichte mir ein Clipboard, auf dem ich unterschreiben
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