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Blinder Instinkt - Psychothriller

Titel: Blinder Instinkt - Psychothriller
Autoren: Andreas Winkelmann
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Hand an diesem Strand zu sterben, war noch das Gerechteste, was Eduard Sauter erwarten konnte.
    Von hinten legte sich eine weiche Hand auf Max’ Schulter. Legte sich genau an die Stelle, an der sie früher immer gelegen hatte, nur dass sie jetzt größer war. Zehn Jahre größer. Die Finger gruben sich leicht in seine gespannte Nackenmuskulatur.
    »Max«, sagte Sina mit leiser Stimme, »es ist vorbei.«
    Und Sauter wurde leblos in seinen Händen.

Epilog

    Mit der Abenddämmerung hatte sich eine beruhigende Stille über den See gelegt. Der leichte Wind des Tages, der in den Wipfeln der Douglasien sein Lied gespielt hatte, das Rufen der Haubentaucher, das leise Surren eines Motorbootes am anderen Ufer, all diese Geräusche waren nach und nach verklungen. Ebenso waren auch ihre Gespräche ruhiger geworden, Pausen hatten sich eingeschlichen, in denen sie zu verarbeiten versuchten, was eigentlich nicht zu verarbeiten war.
    Nachdem er einen Moment von der Terrasse des Hauses aus über das spiegelglatte, undurchdringliche Wasser geschaut hatte, fuhr Max fort:
    »Nicht lange nachdem ich mit Jürgen vor dem alten Gasthof gesprochen hatte, traf er meinen Vater an der Tankstelle in Pennigsahl. Jürgen sprach ihn darauf an, wo und wann er mich gesehen hatte … Warum auch nicht, er argwöhnte ja nichts Böses, und für ihn war das eine kleine Sensation … Tja, und dann hat mein Vater eins und eins zusammengezählt. Nach zehn Jahren tauche ich im Ort auf und stelle Erkundigungen an, frage nach Leuten, die damals, als Sina verschwand, am Meerbach angelten. Plötzlich war auch sein Interesse geweckt … Ich hatte ihm seinen scheinbaren Gleichmut sowieso nicht abgenommen. Für meinen Vater musste es für alles einen Schuldigen geben. In Sinas Fall war ich es … Bis ich nach diesem Angler, Wilkens, fragte. Mein
Vater stellte, genau wie ich, den Bezug zu den Sauters her. Und er war ein Hitzkopf, er konnte gar nicht anders, als zu dem Gasthof zu fahren … Ebenfalls genau wie ich.«
    Franziska Gottlob sah ihn aus schmalen Augen an. »Was ihm passiert ist, hätte dir auch passieren können«, sagte sie. »Ich bin immer noch sauer auf dich. Du hast dich in unglaubliche Gefahr gebracht.«
    Max zuckte mit den Schultern. »Was hätte ich tun sollen? Warten? Noch länger, nachdem ich schon zehn Jahre meines Lebens verschwendet habe?«
    Franziska sah ihn lange an. Sie hatte keine Antwort für ihn. Er hatte ja recht.
    Schließlich ließ sie ihren Blick zum Horizont schweifen.
    Die rot über dem See untergehende Sonne tauchte den schwarz dastehenden Wald in ein feuriges Licht, verlieh ihm einen brennenden Saum und eine Schwärze, die tiefer nicht hätte sein können.
    Zwei Wochen waren vergangen, seit sie in dem dunklen Verlies voller aggressiver Giftspinnen beinahe gestorben war. Noch immer schreckte sie nachts schweißgebadet aus dem Schlaf, noch immer betrat sie keine dunklen Räume, konnte nur schlecht allein sein und fuhr zusammen, sobald sich auch nur ein Schatten auf dem Fußboden bewegte. Das Trauma saß sehr tief. Noch weigerte sie sich, einen Therapeuten aufzusuchen, aber Franziska ahnte, dass sie es allein vielleicht nicht schaffen würde.
    Aber hier draußen, auf der großen Terrasse mit dem freien Blick, ging es ihr gut. Hier durfte sie hoffen, sich von den Verletzungen erholen zu können.
    Vor drei Stunden hatte ihr Vater Max vom Bahnhof abgeholt. Er konnte nicht selbst fahren, da die Innenbänder
seines rechten Fußgelenkes doch angerissen waren und er einen stabilen Plastikschuh, eine Art Schienenersatz, trug und zum Gehen Krücken benutzte. Sie sprachen zum ersten Mal miteinander, nachdem sie sich mit einem Kuss vor der Hotelzimmertür verabschiedet hatten. Kolle hatte Max zweimal von Hamburg nach Hannover in die Uni-Klinik gefahren, weil er Franziska besuchen wollte, doch das hatte sie in ihrem Zustand nicht mitbekommen. Er hatte an ihrem Bett gesessen und zwischendurch immer wieder ihre Hand gehalten.
    Max saß in einem bequemen Korbstuhl und beobachtete Franziska, so wie er sie im Krankenhaus beobachtet hatte. Sie lag auf einer Sonnenliege, das Kopfteil hochgestellt, ihre nackten Füße lugten unter der Decke hervor, ihre Arme lagen auf Kissenbergen. Ihr hochgestecktes rotes Haar gewährte ihm einen Blick auf ihren langen, schlanken Hals und ihre großen Ohren. Vorhin hatte sie ihn zur Begrüßung geküsst. Auf den Mund, ganz zart, aber länger, als es nötig gewesen wäre, und das vor ihrem Vater und ihrer Mutter. Max
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