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Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Titel: Blinde Seele: Thriller (German Edition)
Autoren: Hilary Norman
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Jetzt war er völlig verblüfft.
    »Perfekt? Ich glaube nicht, dass ich dieses Wort benutzt habe.«
    »Auf jeden Fall hast du gesagt, deine Augen sind in Ordnung.«
    Mildreds Wangen glühten. »Ich bin nicht stolz darauf, dass ich gelogen habe.«
    »Wann hattest du deine letzte Augenuntersuchung?«
    »Als Jugendliche. In New York City.« Sie hielt einen Moment inne. »Ich habe es so sehr gehasst, dass ich aus der Praxis gerannt bin und mich übergeben habe.«
    »Was hat dich denn so aus der Fassung gebracht?«
    »Alles.« Mildred war blass geworden. »Der Arzt saß ganz nah vor mir, und …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will nicht darüber reden. Ich weiß, es ist idiotisch, aber ich kann nicht anders.«
    »Es ist nicht idiotisch«, sagte David.
    »Doch. Es ist albern, unvernünftig und feige.«
    »Du bist nicht feige«, sagte David. »Du bist eine außergewöhnliche, tapfere Frau mit einer kleinen Schwäche, um die wir uns gemeinsam kümmern können.«
    »Ich kann mich besser darum kümmern«, entgegnete Mildred, »indem ich mich von Augenärzten fernhalte.«
    »Nein«, sagte David. »Damit muss jetzt Schluss sein.«
    Mildred lehnte sich im Stuhl zurück und fragte leise: »Was meinst du denn, was mit meinen Augen nicht stimmt, Doktor?«
    »Ich nehme an, du hast beginnenden grauen Star.«
    »Werde ich blind?«, fragte sie geradeheraus.
    »Nur, wenn du dich nicht behandeln lässt.« David hielt einen Moment inne. »Wirst du dir von mir helfen lassen?«
    »Ich will nicht blind werden.«
    »Ist das ein Ja?«
    »Ich nehm’s an«, seufzte Mildred.

7.
    In dem Zimmer mit den toten Dingen war die Person wieder bei der Arbeit. Ob lebendig oder leblos – sie verwandelte alles in kleine Leichen.
    So auch jetzt wieder.
    Und wieder war es eine Puppe, diesmal in einer türkisfarbenen Baumwollhose und weißem T-Shirt.
    Das T-Shirt war mit dunkelroten Spritzern übersät, die aussahen wie Blut.
    Die Puppe hatte kurzes blondes Haar.
    Und ein blaues Auge.
    Das andere war bereits entfernt worden.
    Herausgeschnitten, sauber und präzise, sodass nur ein kleines schwarzes Loch geblieben war.
    Die Arbeit war anspruchsvoll, die Luft im Zimmer heiß und stickig, und der Puppenmacher, der Leichen macher, schwitzte, während die kurze, scharfe Klinge des winzigen Skalpells den nächsten kreisförmigen Einschnitt vornahm. Dabei führte er die Klinge, die an einem Bleistiftgriff befestigt war, mit den Spitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger, während der Griff zwischen Zeigefinger und Daumen ruhte.
    Weiter drüben, auf einem anderen Tisch, lagen eine Sonnenbrille in Puppengröße und eine Rolle Mullbinde und warteten, bis die Arbeit abgeschlossen war.
    Diesen Teil der Arbeit fand der Leichenmacher stets am erfüllendsten.
    Es kam ihm jedes Mal wie ein Ende, wie ein Abschluss vor.
    Aber das war es nie.

8.
    Grace’ Hotel, das Dolder Waldhaus, stand auf einem Hügel hoch über Zürich, umgeben von Wald und wunderschönem altem Grundbesitz. Ihr Zimmer hatte einen Balkon mit herrlichem Ausblick über die Stadt, den See und die Kette der Alpen am Horizont.
    Gleich nach ihrer Ankunft hatte Grace geduscht und ein leichtes, ausgezeichnetes Mittagessen zu sich genommen. Dann war sie in einem Sessel eingenickt. Als sie aufgewacht war, erschrocken über die Zeitverschwendung, hatte sie sich mit einer köstlichen Tasse Kaffee und einem kurzen, aber herrlichen Spaziergang im Wald gleich auf der anderen Straßenseite aufgemuntert, bevor sie eine kleine rote Zahnradbahn hinunter zur Haltestelle Römerhof und dann eine Straßenbahn ins Stadtzentrum genommen hatte.
    Jetzt war sie endlich im Herzen von Zürich.
    Für eine Stadt, die berühmt war für ihre Banken, war es hier erstaunlich idyllisch. Eine große Schweizer Nationalflagge wehte über einem weitläufigen, belebten Platz, auf dem sich mehrere Straßenbahnlinien schnitten. Linden säumten die Straßen mit ihren schicken, teuer aussehenden Geschäften und Boutiquen, an denen die Passanten vorüberschlenderten. Irgendwo in der Nähe läutete eine Kirchenglocke.
    Grace fragte sich gerade, ob sie ihre Besichtigungstour mit dem See oder der Bahnhofstraße anfangen sollte, als sie zu ihrer Linken eine der Sehenswürdigkeiten erblickte, von denen Magda ihr erzählt hatte.
    »Wenn du keine Zeit für irgendwas sonst hast«, hatte sie gesagt, »dann geh wenigstens ins Sprüngli, setz dich oben hin, trink einen Kaffee, iss ein Stück Kuchen und sieh dir die Leute an.«
    Gesagt, getan.
    In der
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