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Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Titel: Blinde Seele: Thriller (German Edition)
Autoren: Hilary Norman
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neu, holsterten sie.
    Sam war angespannt, aber er kannte die Routine – holstern, feuern, holstern. Er war gut im Umgang mit seiner Waffe, schnell und effizient, ohne sich zu überschätzen.
    »Wenn das Ziel sich dreht, habt ihr zwei Sekunden, um zu ziehen und zweimal aus der Hüfte zu feuern«, wies der Range Master sie an. »Klar?«
    »Klar«, kam es von allen zurück.
    »An die Linie treten. Feuer! «
    Das Ziel drehte sich.
    Sam feuerte.

6.
    »Ich glaube, du brauchst eine Brille«, sagte David Becket zu Mildred, seiner Frau, als sie an einem wundervollen Morgen in ihrem Garten saßen, lasen und Kaffee tranken.
    Beide waren Mitte sechzig und hatten erst ein Jahr zuvor geheiratet. Für David, Sams Beckets Adoptivvater, einen pensionierten Kinderarzt, war es die zweite Ehe; für Mildred, deren Leben bis vor ein paar Jahren alles andere als einfach gewesen war, die erste.
    In ihrem ersten Leben als Mildred Bleeker hatte sie alles aufgegeben, um die Verlobte eines Mannes zu werden, den sie dann verloren hatte – und mit ihm ihre ganze Identität. Sie war zur Obdachlosen geworden, die auf einer Parkbank unten in South Beach geschlafen hatte. Dabei hatte sie eine ganz neue Mildred Bleeker entdeckt, eine Frau mit einer Lebensanschauung, wie sie nur ein Mensch erreichen konnte, der am Rande der Gesellschaft lebt.
    Wo sie Sam Becket, den hochgewachsenen afroamerikanischen Detective kennengelernt hatte, der dann ihr guter Freund geworden war. Über Sam hatte sie dessen Vater David Becket und den Rest seiner Familie kennengelernt.
    Die jetzt ihre Familie war.
    Mildred und David waren ein sehr glückliches Paar.
    »Ich brauche keine Brille, alter Mann«, sagte sie nun. »Ich kann so gut lesen wie eh und je, vielleicht sogar noch besser.«
    »Oh-oh«, sagte David.
    »Was soll das denn heißen?« Mildred legte ihr Buch in den Schoß.
    »Dass du in letzter Zeit die Augen zusammenkneifst, wenn du dir etwas anschaust. Und die Stirn in Falten legst.« Er hielt einen Moment inne. »Sieh mal, da drüben.«
    »Was ist denn da?«
    »Siehst du den Vogel rechts neben dem Teich?«
    »Ja. Was ist damit?«
    »Beschreib ihn mir.«
    Mildred kniff die Lippen zusammen. »Ich bin kein Kind.«
    »Du kannst ihn nicht sehen, habe ich recht?«
    »Natürlich kann ich ihn sehen«, sagte sie. »Es ist ein Vogel! Er hat Flügel! Und jetzt hör schon auf.«
    »Es ist ein Weißflügelsittich«, sagte David.
    »Wie schön für ihn.«
    »Du warst doch nie kurzsichtig.«
    »Bin ich auch nicht. Ich kann den blöden Sittich sehen«, sagte Mildred.
    David schaute sie von der Seite an.
    »Mildred, hast du Probleme mit den Augen?«
    Sie seufzte. »Du willst, dass ich meine Augen untersuchen lasse, nicht wahr?«
    »Es könnte nichts schaden«, sagte er. »Ich begleite dich.«
    »Mag ja sein, dass ich eine Brille brauche«, erwiderte Mildred bissig, »aber hilflos bin ich deshalb noch lange nicht.«
    »Das freut mich zu hören, aber ich würde trotzdem gern mitkommen.«
    »Letztes Mal bist du auch nicht mitgekommen.«
    »Du hast gesagt, du würdest lieber unabhängig sein, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Ja. Und so ist es immer noch«, sagte Mildred.
    »Zu wem bist du denn damals gegangen?«
    »Hm … fällt mir im Moment nicht ein.«
    David lächelte. »Macht nichts. Wir können zu meinem Augenarzt gehen.«
    »Ich würde lieber zu meinem eigenen gehen«, sagte Mildred.
    »Was ist los, Mildred?«
    »Nichts ist los, nur dass du mich allmählich auf die Palme bringst.«
    »Wieso denn? Ich habe doch bloß die leise Besorgnis geäußert, du könntest nicht mehr so gut sehen wie früher.«
    »Du schikanierst mich.«
    »Unsinn«, sagte David.
    Der Sittich flog davon.
    »Der Vogel ist weggeflogen!«, rief Mildred.
    »Du musstest die Augen zusammenkneifen, um es zu sehen«, sagte David sanft.
    Sie seufzte. »Ich geb’s zu.«
    »Stört dich grelles Licht?«, fragte David und lächelte. »Ich frage nur, weil du in letzter Zeit öfter eine Sonnenbrille trägst als früher.«
    Sie gab keine Antwort.
    »Was ist los, Mildred?«, hakte er nach.
    »Ich hab Angst«, sagte sie nach einer kurzen Pause.
    »Wovor denn?« David war erstaunt und besorgt zugleich.
    »Wenn du es unbedingt wissen willst«, sagte sie steif, »ich bin ein bisschen zimperlich, was meine Augen angeht. Ich habe Angst davor, zum Augenarzt zu gehen.«
    »Aber du warst doch schon mal bei einem.«
    »Nein«, sagte Mildred leise. »Ich habe geschwindelt.«
    »Du hast gesagt, dein Sehvermögen sei perfekt.«
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