Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
Vom Netzwerk:
von seinem missglückten Gespräch mit Frau Burger, als die Regenfront, die nachmittags über dem Jugendgefängnis gestanden hatte, den Münchner Westen erreichte. »Kommen Sie!«, rief er und lief im prasselnden Regen Richtung Straße.
    Loewi folgte ihm zu einem Wohnmobil.
    »Ihr habt sie wohl nicht alle!«, schrie eine nur mit rotem Lackhöschen und Büstenhalter bekleidete, etwa fünfunddreißigjährige Frau. Der Ermittler und der Anwalt zwängten sich an ihr vorbei ins Fahrzeug.
    »He, seid ihr taub?« Da erkannte sie Schwarz. »Anton. Ich wusste, dass du wieder auftauchst. Aber gleich zum Dreier?« Sie zwinkerte Loewi zu.
    »Können wir deinen Wagen kurz als Konferenzraum benutzen, Cindy?«
    Sie nickte. »Aber ihr haut ab, sobald Kundschaft kommt, klar?«
    »Ziemlich unwahrscheinlich bei dem Sauwetter.«
    Cindy, die eigentlich Heike hieß, aus Duisburg stammte und vor ihrer derzeitigen Tätigkeit Fremdsprachensekretärin gewesen war, verzog sich auf den Fahrersitz.
    Loewi setzte sich auf das französische Bett. Schwarz schob eine Rolltür zur Seite und nahm auf dem Klosettdeckel Platz. Die Wände waren mit burgunderrotem Samtstoff bezogen, auf einer Ablage stand eine Sammlung bemalter russischer Puppen. Das Licht war gedämpft, eine frische Duftkerze überdeckte verschiedenste Gerüche.
    Es war etwa zwei Jahre her, dass Schwarz Cindy vor einer Vergewaltigung durch mehrere betrunkene Jugendliche bewahrt hatte. Danach war er zu einer Art Kummeronkel für sie geworden. Das Schamgefühl verlierst du in diesem Geschäftschnell, sagte sie oft, den Ekel nie. Wenn Cindy länger als eine Woche am Stück arbeitete, blühten Ausschläge an ihren Armen und Beinen auf, die kein Hautarzt in den Griff bekam. Dann half nur noch ein Besuch zu Hause. Ihre Eltern glaubten, sie arbeite als Domina und ließe sich nicht anfassen. Das fanden sie weniger schlimm. Nach einer Woche Duisburg hatte Cindy wieder die Haut eines jungen Mädchens und konnte zur Arbeit nach München zurückkehren.
    Schwarz wusste, dass sie auf eigene Rechnung arbeitete und nur für den Standplatz des Wohnmobils ein paar Hunderter an einen dubiosen Vermittler abdrückte. Einmal hatte er sie gefragt, wie lange sie denn das noch machen wolle. Bis ihre Ersparnisse reichten, um ein Übersetzungsbüro zu eröffnen und nur noch andere für sich schuften zu lassen, hatte Cindy erklärt. Also nie, hatte Schwarz gedacht.
    »Können wir ihr vertrauen?«, fragte Loewi.
    Der Ermittler nickte und lachte. »Ich weiß zu viel über sie.«
    Um gleich gar nicht in Versuchung zu kommen, steckte Cindy sich die Stöpsel ihres iPods in die Ohren.
    »Ich hatte eine spannende Begegnung mit Burgers damaliger Freundin«, begann Schwarz und erzählte. Loewi hörte ihm schweigend und konzentriert zu, bis er auf die ominösen Fotos auf Lindas Handy zu sprechen kam. »Ich glaube, ich weiß, was für ein Verein das war. Die
Deutschlandtreuen
, richtig?«
    Schwarz nickte, so weit war er mit seinen Recherchen inzwischen auch gekommen. Die sogenannten Deutschlandtreuen waren eine Nachfolgeorganisation der in den neunziger Jahren verbotenen
Wiking-Jugend
und derzeit wohl der stärkste nationalistische Jugendverband. »Sie sind straff organisiert und haben das erklärte Ziel, ›rassereine‹ Verbindungen zu stiften.«
    »›Rasserein‹? Das trauen die sich aber nicht so zu sagen?«
    »Oh doch. Meine Quelle ist zuverlässig.«
    Seine Quelle war Heiner, ein ehemaliger Klassenkamerad. Er dokumentierte seit den Mordanschlägen von Mölln und Solingen alle rechtsextremistischen Umtriebe im Land. Während andere schnell wieder zum politischen Tagesgeschäft, zu Karriere und Selbstverwirklichung zurückgekehrt waren, hatte ihn das Thema nie mehr losgelassen. Schwarz hielt das zwar insgeheim für eine Fixierung, war jetzt aber froh, einen ausgewiesenen Kenner der braunen Szene an der Hand zu haben. Kurz bevor er zum Wachdienst geradelt war, hatte er ihm gemailt.
    Heiner, altes Trüffelschwein, was fällt dir zu Lagerfeuer mit Reichskriegsflagge ein?
    Suchst du eine politische Heimat, Toni ?
    Keine Zeit für schlechte Scherze. Was ist das für ein Verein?
    So hatte Schwarz nicht nur von der Rasseideologie der
Deutschlandtreuen
erfahren, sondern auch, dass sie an Kinder Hitlerbilder verteilten, Zeltlager gewerkschaftlich organisierter Jugendlicher überfielen oder zur Jagd auf Farbige bliesen.
    »Können Sie mir erklären«, sagte Loewi, »warum so eine Organisation nicht verboten wird und ungehindert
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher