Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
Vom Netzwerk:
Sie diesen Satz wiederholen?« Von Medingen musterte Tim Burger.
    »Das jüdische Volk hat viele große und weise Männer hervorgebracht.«
    »Lauter und deutlicher!«
    »Das jüdische Volk hat viele große und weise Männer hervorgebracht.«
    Von Medingen lächelte zufrieden. »Sie wissen, weshalb ich Ihnen das abverlange?«
    »Ja.«
    »Und? Weshalb?«
    »Wegen meiner Prognose.«
    »Richtig. Sie haben doch keine Ressentiments gegen Juden?« Er legte ihm die Hand auf die Schulter und schaute ihm in die Augen.
    Tim hielt seinem Blick stand. »Nein.«

12.
    Ich muss in die Karibik
, sagte Anton Schwarz immer, wenn er zu dem, von seiner Haustür genau 2,9   Kilometer entfernten, im Anbau eines Autohauses untergebrachten Honorarkonsulat irgendeines karibischen Kleinstaats aufbrach. Er hatte nie begriffen, wieso für die Vertretung eines Landes, das kein Mensch kannte, ein Sicherheitsdienst benötigt wurde, freute sich aber, für eine weitgehend risikofreie Arbeit gutes Geld zu bekommen.
    Er schaute zum Himmel. Dunkle Wolken waren aufgezogen. Er ließ es sich trotzdem nicht nehmen, mit dem Rad zufahren. Nur dann konnte er die Landsberger Straße, die der gemeine Münchner als besonders hässlich, er aber als heimatlich und inspirierend empfand, richtig genießen. Er grüßte das Nashorn aus Bronze und trat in die Pedale.
    Ein Schreiner, ein Friseur, ein indisches Lokal, ein Friseur, ein Autohändler, eine italienische Pizzeria, ein Friseur, ein Reifenhändler, ein Stempelmacher, ein Karosseriebauer, ein Friseur, ein Küchenstudio, ein Sushi-Heimservice, eine Pension und daneben schon wieder ein Friseursalon. Schwarz fragte sich, wieso all diese Friseure in eine Straße gezogen waren. Waren sie Lemminge, die gemeinsam zugrunde gehen wollten, oder hatte er einen Trend verpasst und jeder, der etwas auf sich hielt, fuhr neuerdings zum Haareschneiden in die Landsberger Straße?
    Auf der rechten Seite begann die Lärmschutzwand. Er schaute zu der Stelle, die er um die Mittagszeit mit Eva aufgesucht hatte. Eigentlich müsste dort ein Kreuz für den ermordeten Dani stehen, dachte er. Halt, das Kreuz war ein christliches Symbol. Mit welchem Zeichen gedachten eigentlich die Juden ihrer Toten? Er wusste es nicht, wie er überhaupt kaum etwas über die jüdische Kultur wusste. Loewi, dachte er, hätte besser einen Juden als Ermittler beauftragen sollen. Falls es überhaupt einen jüdischen Ermittler in München gab.
    Auf der anderen Straßenseite löste ein postmoderner Bürokomplex die kleinen Geschäfte und Lokale ab. Er stand leer. Trotzdem wurden, je näher Schwarz der Innenstadt kam, überall neue Gewerbeimmobilien aus dem Boden gestampft. Vielleicht, dachte er, geht es in der Landsberger ja mehr ums Bauen als ums Vermieten. Er überquerte die Straße und radelte das letzte Stück zum Konsulat auf dem Bürgersteig.
    Arbeitsbeginn war heute um acht. Schwarz, der sich denWachdienst mit drei Kollegen teilte, war auf die Minute pünktlich. Er umrundete das Autohaus und sah, dass im ersten Stock noch gearbeitet wurde. Aber das ging ihn nichts an. Er war ausschließlich für den barackenartigen Anbau zuständig, der dem Autohändler in bescheideneren Zeiten als Verkaufsbüro gedient hatte. Das Konsulat war mit drei Überwachungskameras, zwei alarmgeschützten Türen und einfachen Rollläden gesichert. Alles musste genau kontrolliert werden.
    Schwarz stellte sein Fahrrad ab und nahm zuerst einen mit mehreren Graffiti-Schichten bedeckten ehemaligen Lagerschuppen nahe der Bahngleise in Augenschein. Wäre er ein Einbrecher, würde er sich dort verstecken und warten, bis die Luft rein war.
    Sein Handy klingelte. Es war Loewi, der sich einen ersten Bericht wünschte. Schwarz gab grundsätzlich keine Auskünfte am Telefon. Er war zu lange Polizist gewesen, um sich dabei wohl zu fühlen. »Kommen Sie doch morgen früh bei mir vorbei.«
    Aber sein Auftraggeber wollte nicht warten. »Wo sind Sie denn gerade, Herr Schwarz?«
    »In der Karibik.«
    »Bitte?«
     
    Fünfzehn Minuten später, Schwarz hatte gerade seinen Kontrollgang beendet, traf Loewi mit dem Taxi ein. »Wie ist Ihr erster Tag gelaufen?«
    Schwarz macht eine vage Geste. »Ich habe mit Eva und Marek gesprochen und dem Vorsitzenden von Blau-Weiß 57.«
    »Pavel Fraenkel.«
    »Wenn Sie ihn kennen, wissen Sie sicher auch, dass er Tim Burger mal auf dem Vereinsgelände gesehen hat.«
    Loewi nickte. »Leider hat er das Gericht davon nicht überzeugen können.«
    Schwarz erzählte gerade
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher