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Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)

Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)

Titel: Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)
Autoren: Christian Y. Schmidt
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pro forma wählen lässt. Tatsächlich wird aber «The Republic» – so der Spitzname Singapurs – seit 1959 von einer Quasi-Staatspartei regiert, der Peoples Action Party nämlich, die sich in puncto Machtausübung und -erhalt vor der Kommunistischen Partei Chinas nicht zu verstecken braucht. Die PAP hat alles, was eine waschechte KP braucht: Sie ist eine Kaderpartei, das heißt, nur ein kleiner Kreis von geheimen Parteikadern wählt die Führungsspitze. Geleitet wird sie von einem Zentralen Exekutivkomitee, an dessen Spitze ein Generalsekretär steht. Nur das Parteisymbol hat man sich ausnahmsweise nicht von den Kommunisten abgeguckt. Der rote Blitz in einem blauweißen Kreis gleicht eher dem Emblem der ehemaligen britischen Faschisten. Dafür sind die Rituale sehr kommunistisch: Den Ersten Mai feiert man zusammen mit der parteieigenen Einheitsgewerkschaft NTUC, ruft dabei Kampfparolen und grüßt mit der geballten Faust. Anlässlich des Kampftages werden auch Jahr für Jahr die «Helden der (Gewerkschafts-)Arbeit» ausgezeichnet. Sie heißen in Singapur nur etwas anders als früher in der DDR oder in China, nämlich «Comrade of Labour».
     
    Und damit sind die politischen Parallelen zwischen Singapur und China keineswegs erschöpft. Wie in China werden auch auf der Insel sämtliche Medien zensiert. Das ist allerdings kaum nötig, weil jede Zeitung und jeder Fernsehsender über Beteiligungen sowieso dem Staat gehören. Zeitungen und Fernsehprogramme aus den Nachbarstaaten Singapurs sind auf der Insel genauso wenig erhältlich wie der Playboy. Einst war die Cosmopolitan verboten, weil das Magazin, so die Zensoren, «promiskuitive Werte» gefördert habe. Heute müssen ausländische Zeitungen, die in Singapur erscheinen wollen, zweihunderttausend Singapurdollar Kaution hinterlegen und einen Vertreter auf der Insel stationieren, den die Regierung zur Not verklagen kann. Das tut sie auch sehr gerne, und zwar immer dann, wenn in der Auslandspresse Singapur und seine Regierung nicht so gut wegkommen. Die Zeitungen – darunter solch subversive Blätter wie die Financial Times oder die Far Eastern Economic Review – haben bisher noch jeden Prozess verloren.
     
    Natürlich darf man in Singapur auch nicht auf die Straße gehen, wenn einem etwas nicht passt. Zwar ist das Demonstrationsrecht in der Verfassung verankert, doch wer eine Demonstration anmelden will, bekommt keine Genehmigung. Unter solchen politischen Verhältnissen sind freie Wahlen nur ein Witz, den sich die Peoples Action Party gelegentlich erlaubt, um etwas Spaß zu haben. Am Ende gewinnen doch immer nur ihre Leute fast alle Sitze im Parlament – im Moment stellt die Opposition zwei von vierundachtzig Abgeordneten – und heißt der Premierminister Lee. Der jetzige nennt sich Lee Hsien Loong. Das ist der Sohn des Staats- und PAP-Gründers sowie Ex-Premierministers Lee Kuan Yew. Insofern kann Singapur eigentlich auch als Vorschule für Nordkorea gelten.
     
    Seltsamerweise gibt es bei den in Singapur lebenden Westlern über das hiesige politische System kaum Beschwerden. Auch in Deutschland liest und hört man selten ein kritisches Wort über den autoritär regierten Stadtstaat, obwohl die meisten großen deutschen Zeitungen und Rundfunkanstalten Korrespondenten in Singapur stationiert haben. Das mag an den günstigen Shoppingmöglichkeiten hierzulande liegen.
    Dabei geht es auf der Insel zuweilen noch ein bisschen härter zu als im gerne ausgiebig kritisierten China, zum Beispiel in Sachen Todesstrafe. Sowohl in Singapur als auch in China wird sie für eine Reihe von Verbrechen verhängt, doch nur in Singapur ist sie für bestimmte Delikte auch obligatorisch. Wer beispielsweise mit mehr als fünfzehn Gramm Heroin, dreißig Gramm Kokain, zweihundertfünfzig Gramm Speed oder fünfhundert Gramm Cannabis erwischt wird, den muss ein Richter zum Tode verurteilen, ob er will oder nicht, das Gesetz lässt ihm keine andere Wahl. So wurden in Singapur seit 1991 mehr als vierhundert Menschen hingerichtet. Das ist pro Kopf – was sonst? – der Bevölkerung die höchste Quote weltweit.
    Singapur kann aber auch mit einer Bestrafungsspezialität dienen, die ansonsten nicht mehr so oft auf der Welt vorkommt, auch in China nicht. Dabei handelt es sich um das sogenannte Caning. Damit ist das Verprügeln eines Delinquenten mit dem Rotan, einem Stock aus Rattan, gemeint. Das hört sich nach veralteter Schulpädagogik an, ist aber ein sehr brutaler Akt. Der Delinquent
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