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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz
Autoren: Jane Feather
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klang.
    Marcus beugte sich vor und hob sie aus dem Sessel. Dann stellte er Judith auf die Füße. »Muß ich dich tragen?«
    Sie schüttelte den Kopf und bewegte sich aus dem Zimmer. Keiner von ihnen hätte einen derartigen physischen Kontakt in dieser Nacht ertragen können - nicht bei all den wundervollen, sinnlichen Erinnerungen, die sich mit einer solchen Berührung verbanden.
    Judith ging vor ihm die Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer. Marcus verschwand in der Tür zu seinem eigenen Raum.

30. Kapitel
    Judith lag die restlichen Stunden der Dunkelheit hindurch wach im Bett. Sie starrte zu dem Stoffhimmel über ihrem Bett hinauf, die Augen weit aufgerissen, als würden ihre Lider von Stäbchen offengehalten, und ihre Augäpfel fühlten sich trocken und gereizt an. Trotz ihrer knochentiefen körperlichen Müdigkeit und völliger seelischer Erschöpfung konnte sie einfach nicht einschlafen. Sie lag mit gerade ausgestreckten Gliedern im Bett, die Decke bis zum Kinn hochgezogen, und es schien, als seien die schmerzenden Stellen an ihren Armen, wo Marcus sie gepackt und geschüttelt hatte, die einzig fühlbar lebendigen Teile von ihr.
    Eigentlich hätte sie von einem Gefühl der Genugtuung beseelt sein müssen: Der lange, dunkle Pfad der Rache lag nun hinter ihnen. Sebastian war wieder im Besitz seines Geburtsrechts, und welche Verwüstungen Gracemeres Verschwendungssucht auch immer angerichtet haben mochte, Sebastian würde alles wieder in Ordnung bringen. George Devereux war gerächt; seine Kinder hatten jetzt wieder ihren Platz in der Welt, aus der er vertrieben worden war.
    Judith hätte so etwas wie Erfüllung, Befriedigung spüren müssen. Aber sie fühlte nur Leere. Statt Gewinn empfand sie nur um so größeren Verlust. Was nützten befriedigte Rachegelüste, wenn man dafür den Preis verlorener Liebe bezahlen mußte? Sie hatte beides haben wollen - Rache und Liebe -, und am Ende war ihr nur Asche im Wind geblieben.
    Außer für Sebastian, erinnerte Judith sich selbst. Seba-stian konnte jetzt um Harriets Hand anhalten, jetzt, wo er ihr etwas zu bieten hatte. Sebastian konnte sich aufs Land zurückziehen und seine bukolischen Träume verwirklichen. Und was blieb für sie, Judith, übrig... ?
    Das einzige, was sie für Marcus noch tun konnte, war, sich so würdevoll wie möglich aus seinem Leben zu entfernen. Es gab kein gesetzliches Hindernis für ein solches Verschwinden. Sie würde es ihm so bald wie möglich sagen. Nachdem sie zu dieser bedrückenden Entscheidung gekommen war, gelang es ihr schließlich, einzuschlafen, gerade als die Sonne aufging.
    Judith erwachte am frühen Vormittag. Sie klingelte nach Millie, erhob sich und zog sich in brütendem Schweigen an. »Wissen Sie, ob Seine Lordschaft zu Hause ist, Millie?«
    »Ich glaube, er ist nach dem Frühstück ausgegangen, Mylady.« Millie bürstete einen Fussel vom Ärmel eines blauen Seidenspenzers, bevor sie ihn Judith zum Hineinschlüpfen hinhielt. »Sie sehen ein wenig erschöpft aus, Mylady«, stellte sie besorgt fest. »Ein wenig Rouge könnte Abhilfe schaffen.«
    Judith betrachtete sich kritisch im Spiegel. Ihre Augen wirkten trübe und glanzlos, ihr Teint bleich und matt. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, es würde die Sache nur noch schlimmer machen.« Sie band sich eine Korallenhalskette um und ging hinunter in das gelbe Wohnzimmer.
    »Mr. Davenport hat vor einer Stunde seine Karte hinterlassen, Mylady.« Gregson präsentierte das Silbertablett mit den Visitenkarten.
    »Danke, Gregson. Könnten Sie mir bitte etwas Kaffee bringen?«
    Sebastian hatte eine Notiz auf die Rückseite seiner Karte gekritzelt: Warum bin ich nicht überglücklich? Ich fühle mich, als hätten wir verloren, nicht gewonnen. Komm zu mir, wenn Du kannst. Ich muß mit Dir reden.
    Judith warf die Karte ins Feuer. Wahrscheinlich würde sie sich auch ohne die Katastrophe mit Marcus ähnlich deprimiert wie ihr Bruder fühlen. Die Anspannung und Intensität waren einfach zu groß gewesen, als daß sie beide irgend etwas anderes als Erschöpfung hätten empfinden können. Und sie brauchte Sebastian jetzt dringender, als sie ihn jemals zuvor gebraucht hatte.
    »Lady Barret ist hier, Mylady«, verkündete Gregson, als er mit einem Kaffeetablett ins Zimmer kam.
    Judith sah Agnes' Gesicht vor sich, so wie es gestern abend ausgesehen hatte, eine Maske von Wut und Haß. Ihr Herz tat einen Sprung, dann schien es endlos tief zu fallen. Sie öffnete den Mund, um Gregson zu sagen,
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