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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht
Autoren: Nacke
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zum Zimmer 211 seinen Wachdienst schiebt.
    »Emmerich.«
    »Gut. Herr Emmerich, bitte begleiten Sie Frau Kovács zum Ausgang.«
    Emmerich schüttelt den Kopf, er darf seinen Platz nicht verlassen und das weiß auch Dr. Billmeier, aber so eine kleine Spitze gegen diese selbstgefällige Kovács hat er sich nicht verkneifen können.
    Die atmet tief durch, als könne sie sich dadurch nach ihrem Wutausbruch mit neuer Arroganz aufladen, und verkündet, dass ihr nächster Weg sie zum Anwalt führen wird.
    »Wenn der sofort einen Termin für Sie hat – lassen Sie sich nicht aufhalten. Sie finden den Weg sicher auch allein.«
    »Unsere Firma hat einen Hausjuristen!«
    Dr. Billmeier sieht ihr nach, bis sie um die Ecke des Korridors verschwunden ist. Dann betritt er leise das Zimmer. Sandra Kovács schläft und ist fern von jeder Ahnung, dass sie nun auch noch an der zweiten Niederlage schuld ist, die ihre Mutter in den letzten vierundzwanzig Stunden hat einstecken müssen. Dann geht ein plötzlicher Ruck durch ihren Körper, hinter geschlossenen Lidern zucken Augäpfel, und gemeinsam mit einem dünnen Speichelfaden dringt ein leises Wimmern aus ihrem Mund. So ist es eben – der Angst kannst du nicht entkommen, sie beißt sich selbst durch den dichten Schleier eines narkotischen Schlafs ihren Weg in dein Herz.
    Draußen auf den verschlungenen Wegen des Nordklinikums ballt sich die staubige Hitze wie ein bösartiges Tier um eine gigantische Baustelle.
     
    *
     
    Mattusch versucht wieder einmal, den Ventilator so zu platzieren, dass der kühlende Luftstrahl ausschließlich ihn trifft, nicht aber die Papiere auf seinem Schreibtisch, und es gelingt ihm schließlich, nachdem er eine Tür des Aktenschrankes geöffnet und damit eine Art Windschutz errichtet hat. Der Kalz macht ihm Sorgen, nein, eigentlich macht ihm nicht der Kollege Kalz Sorgen, sondern die Art, wie er selbst in letzter Zeit gezwungen ist, auf ihn zu reagieren. Mattusch schätzt es ganz und gar nicht, wenn er demonstrativ den Chef rauskehren muss – er kann es natürlich, umsonst sitzt er schließlich nicht auf diesem Posten, aber er mag es nicht. Vielleicht war es auch keine gute Idee, diese junge Griechin ausgerechnet mit ihm zusammenzuspannen, zwar macht sie einen gefestigten und ausgeglichenen Eindruck, aber er kennt den Ruf, den Martin Kalz unter den Mitarbeitern hat, leicht wird es sicher nicht für die Kleine.
    Aus irgendeinem Grunde ist die neue Beamtengeneration so anders als die Kollegen in Mattuschs Alter, woran mag das nur liegen? Sind die Zeiten so viel härter, vielleicht auch einfach nur schneller geworden, oder ist Kalz die berühmte Ausnahme und er muss aufpassen, nicht zu verallgemeinern?
    Die stickige Luft macht es einem schier unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen, und Mattusch braucht jetzt erst einmal etwas Kaltes zu trinken. Beneiden tut er jedenfalls niemanden, der um diese Zeit gezwungen ist, in einem Auto zu sitzen, selbst wenn es sich dabei um einen vollkommen untertemperierten Menschen handelt, dessen Anzug jederzeit so makellos sitzt, als käme er gerade aus der Reinigung.
     
    *
     
    »Wie machen Sie das?« Zoe Kandeloros hält das bleierne Schweigen nicht mehr aus. Sie fühlt sich für etwas bestraft, das sie nicht zu verantworten hat. Der sehnige Mann im silbergrauen Zweiteiler neben ihr auf dem Fahrersitz ignoriert sie beharrlich, mehr noch, er scheint sich in ein Kühlaggregat verwandelt zu haben. Während ihr der Schweiß in winzigen Bächen am Körper herunterrinnt, wirkt er wie frisch aus dem Ei gepellt.
    »Was meinen Sie?«
    »Ihr Anzug. Wie machen Sie das, dass der immer perfekt in Form bleibt und Sie so aussehen, als hätte dieser Wagen eine Klimaanlage?«
    Wie nicht anders zu erwarten, reagiert Kalz nicht auf die Fragen, schaut ihr stattdessen an einer roten Ampel voll ins Gesicht und fragt:
    »Schämen Sie sich wenigstens gelegentlich für die griechische Finanzsauerei, Frau Kaliopus?«
    »Kandeloros«, sagt sie, zu mehr ist sie momentan nicht fähig.
     
    *
     
    Es sind genau diese Momente, die einem in Erinnerung bleiben, als hätte man sie eben erst erlebt. Die kleine Katharina Charlotte hatte von ihrer Mutter einen Zwanzigmarkschein in die Hand gedrückt bekommen und war zum Friseur geschickt worden. Für zwölfjährige Mädchen mit Zahnspange und Brille birgt ein Friseurbesuch Chance wie Risiko in einem. Die Chance besteht darin, dass du in diesem Alter noch gelegentlich an Wunder glaubst, also auch daran, mit
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