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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht
Autoren: Nacke
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wissen wir, wer uns eigentlich in Händen hält und lenkt.
     
       

Allemande
    Kalz hat am Morgen sein Fahrrad mit Plattfuß vorgefunden, und da seine Frau bereits mit dem Wagen unterwegs war, um mit der mumpskranken Tochter den Kinderarzt aufzusuchen, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich an der Station Gustav-Adolf-Straße der noch nicht ausgereiften fahrerlosen U-Bahn anzuvertrauen, die prompt einen fünfzehnminütigen Sonderaufenthalt mitten im Tunnel einlegte – fünfzehn qualvolle Minuten, in denen Kalz von einer ihm bis dato unbekannten, langsam sich steigernden Klaustrophobie befallen wurde. Und als er jetzt die Tür zu seinem Büro öffnet, zuckt er zusammen. Die Griechin hat auf Mattuschs Anweisung hin ihren ersten provisorischen Schreibtisch wieder geräumt, ist gerade dabei, ihren neuen Arbeitsplatz in seinem Büro einzurichten und wünscht ihm lächelnd einen guten Morgen.
    »Das ist der Schreibtisch vom Kollegen Kotschenreuther, Frau Kaliopos.«
    »Kandeloros. Aber Sie können Zoe zu mir sagen. Der Chef hat mir den Schreibtisch vorläufig zugewiesen und gesagt, der Kollege sei noch zwei Wochen in Urlaub. Ah, und apropos Chef: Sie möchten bitte zu ihm ins Büro kommen. So bald wie möglich.«
    Dabei strahlt sie mit der Morgensonne um die Wette, und Kalz’ schwarze Liste, auf der bereits seine quengelige Tochter, der platte Reifen und die Viertelstunde im Tunnel vermerkt sind, verlängert sich um einen Posten.
    Hingegen scheint auch Mattusch bester Laune zu sein, zumindest spielt er den Gutgelaunten recht überzeugend, und fragt ihn, ob er nicht auch finde, dass Kolleginnen wie Frau Kandeloros den Dienstalltag bereichern.
    »Die sollte lieber Stewardess werden. Frauen haben bei Gewaltverbrechen nun mal nichts verloren.«
    Mattusch ignoriert die Bemerkung und erkundigt sich nach dem gestrigen Gespräch mit Frau Kovács. »Die hat mich gestern Nachmittag noch angerufen. Was ist denn da vorgefallen? Die Frau hat geschäumt.«
    »Ich wollte lediglich ihre jüngere Tochter ohne ihr Beisein befragen. Und das hat ihr nicht gepasst. Also hab ich das Mädchen für heute vorgeladen.«
    »Da haben Sie sicherlich ganz im Interesse einer zügigen Bearbeitung der Sache gehandelt. Das ist zweifellos Ihre Stärke. Aber ich würde Sie doch bitten«, Mattusch dreht einen silbrig glänzenden Kugelschreiber in seinen Händen, »ein klein wenig mehr – wie soll ich sagen? – Feingefühl an den Tag zu legen als im Umgang mit tschechischen Drogenschiebern et cetera. Immerhin musste die Frau ja erstmal verarbeiten, dass ihre Tochter straffällig geworden ist und zudem noch in äußerst kritischem Zustand auf der Intensivstation liegt.«
    »Kann schon sein.« Mehr Zugeständnis ist von Kalz nicht zu erwarten, in Gedanken sieht er aber wieder diese menschgewordene Gottesanbeterin von Mutter vor sich. Wenn die etwas zu verarbeiten hat, dann höchstens den Kopf eines anderen – und das mit ihren Kiefermuskeln. Feingefühl ist da ganz gewiss fehl am Platz.
    »Aber abgesehen davon,« fährt er dann Richtung Mattusch fort, »ich glaub seit gestern Abend nicht mehr, dass uns die Recherchen über die Tathintergründe von der Kovács sonderlich weiterbringen. Sie hatte ein Messer, sie hat eine Stunde auf Gerlach gewartet, sie hat sich insgesamt drei Jahre Zeit genommen, um ihn niederzustechen. Das ist kein Zufall, das ist kein Affekt, das ist ein klarer Fall von Vorsatz. Ich verstehe nicht, was es da groß zu deuteln geben soll. Allerdings hab ich das Ergebnis der Laboruntersuchung, die gestern noch vom Klinikum rüberkam, gleich dem Zahorka weitergeleitet, und der war mit dem Toxikologen im Nordklinikum einer Meinung, dass nämlich der Stoff, den die Kovács in der Blutbahn hatte, eine Variante von PepZero sein könnte, auch gefährlich, aber offenbar nicht so potent. Sicher sind sich aber weder unsere Leute von der Kriminaltechnik noch die Drogenspezialisten in der Klinik, welche der verschiedenen Komponenten wie auf den Körper wirkt – und vor allem nicht, welche dabei unter Umständen letal ist. Allerdings …«
    Mattusch spürt den Eulenblick von Tobisch in seinem Genick, und er hört ihn schneidend durch die Zähne pfeifen. Wenn Dr. Billmeier oder wer auch immer in der nächsten Zukunft für Sandra zuständig ist, keine ernsthaften Risiken mehr für ihren körperlichen Zustand konstatiert, geht es unweigerlich in die Forensik oder gleich in Untersuchungshaft. In seinem Genick sitzt nicht nur der Blick des
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