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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer
Autoren: Alexandra Kui
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langweiligsten. Deine Gegenwart ist so stinklangweilig, selbst wenn du einen Mord begehen willst, schaffst du es noch, mich anzuöden. Du Null.«
    Mit einem Schrei stürzt er sich auf sie. Sie ringen miteinander. Zunächst wehrt sich Janne nur schwach. Bis er sie mit beiden Händen würgt. Als seine verweinten blauen Augen auf sie herabblicken, fällt die Entscheidung. Er darf nicht gewinnen. Mit aller Kraft rammt sie die Faust gegen seine Brust, zielt auf die verwundete Stelle, was offenbar gelingt, denn er lässt ihren Hals augenblicklich los. Noch einmal schlägt sie zu, springt auf, greift den Stuhl, auf dem er gesessen hat. Er will sich gerade aufrichten, da lässt sie das Möbelstück auf seinen Schädel krachen. Für Erik. Nun liegt er bäuchlings auf der Matratze. An seinem Hinterkopf klafft eine Wunde. Sie lässt den Stuhl fallen und rennt um ihr Leben.
    »Hau doch ab«, hört sie ihn rufen. »Wenn du dich so langweilst.«
     
    Janne irrt durch die Gaststätte, die aus einem Altbau und einem Nebengebäude aus den siebziger Jahren besteht. Das Anwesen ist verwinkelt, mehrere Hundert Quadratmeter groß, und teilweise versperrt Gerumpel den Weg. Den Vordereingang hat Meinhard abgesperrt. Jede Sekunde rechnet sie mit einem Angriff ihres Bruders. Sie lauscht angestrengt, doch alles, was sie hört, sind ihre eigenen Schritte und ihr rasselnder Atem.
    Schließlich findet sie einen Weg ins Freie: Im Vorratskeller gibt es eine Hintertür. Der Schlüssel steckt und lässt sich mit etwas Anstrengung drehen. Janne reißt die Tür auf. Endlich im Freien. Querfeldein durch den Wald läuft sie bergab, wagt nicht, die Straße zu nehmen. Der Deutsche Olymp liegt im flimmernden Sonnenschein.
     
     
     
    PAUL
    Wie kann er diese Frau dazu bringen, ihn zu verstehen? Solange sich sein Wortschatz auf Ja und Nein beschränkt, vorgetragen als halbseitiges Blinzeln, wird er Marit den Sachverhalt kaum schildern können, und sie wird nicht begreifen, wie dringendes ist. Seine Sprechversuche zermürben ihn und bringen ihn kein Stück voran. Das Gestammel eines senilen Greises. Genau so hört es sich an. Ohne Pause quält er sich weiter.
    »Herr Flecker, Sie müssen Geduld haben. So funktioniert das nicht«, wiederholt Schwester Marit. »Ich weiß, Sie wollen, dass wir Ihre Tochter herholen, aber wie ich Ihnen schon sagte: Jannes Handy ist abgeschaltet. Und bei Ihnen zu Hause meldet sich keiner. Wir machen es so: Ich hole eine Tafel mit dem Alphabet und tippe auf die Buchstaben, und Sie müssen mich durch Blinzeln anleiten. Auch wenn das natürlich sehr mühsam ist.«
    Wenn es nicht anders geht. Wie viele Buchstaben gibt es doch gleich? Als sie mit der Tafel anrückt, erscheint wie auf Stichwort Besuch am Krankenbett. Birger Harms. Es muss doch einen Gott geben. Diesen Mann kann nur der Himmel geschickt haben. Ein Gedankenleser. Wie jeder gute Zocker. Ein Blick, und er hat bereits die Hälfte kapiert.
    »Was ist los, geht es um Janne? Deine Tochter hat mir die Bullen auf den Hals gehetzt.«
    Er blinzelt. Einmal Blinzeln heißt Ja. Er formt einen Laut mit langem A.
    »Ist sie in Gefahr?«
    Blinzeln.
    Birger beugt sich über ihn. »Paul, sag was.«
    Er nimmt all seine Willenskraft zusammen, formt zwei Worte mit Lippen und Zunge, strengt seine Stimmbänder an, und dennoch klingt es nicht annähernd wie das, was er mitteilen will.
    Birger Harms legt den Kopf schief. »Deutscher Olymp?«
    Paul Flecker blinzelt.

Flitterflatter
    JANNE
    Blaulicht. Janne ist fast am Fuß des Hügels angekommen, als sie die Fahrzeuge auf der Zufahrt zum Deutschen Olymp bemerkt: einen Streifenwagen, einen Polizeitransporter und eine dunkle Limousine. Die Sirenen sind abgeschaltet. Was machen die hier? Sie verbirgt sich hinter dem Stamm eines Ahorns, bis ihr einfällt, dass sie vorhatte, vom nächsten Dorf aus selbst die Polizei zu informieren. Jemand ist ihr zuvorgekommen. Meinhard womöglich. Will er sich stellen?
    Unentschlossen harrt Janne aus und horcht, was auf dem Gipfel vor sich geht. Türenschlagen, Stiefelgetrappel. Eine Männerstimme ruft einen Befehl. Dann fallen zwei Schüsse. Sie hält sich die Ohren zu. Minutenlang. Sie will, dass es aufhört. Zwei weitere Polizeiwagen brettern den Berg hinauf, mit Blaulicht und Sirene, wie Janne durch die Handflächen und trotz des Dröhnens in ihrem Kopf deutlich hören kann. Geschossen wird nicht mehr. Sie lässt die Hände sinken, zögert und macht sich schließlich auf den Weg nach oben. Nach wenigen Schritten
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