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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I
Autoren: Thomas Gsella
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Erlebnis- und Kuschelpädagogik. Es ist sinnvoll, auch über unsere nationale Identität und deren Symbole zu reden. Daher ist es wichtig, die Nationalhymne, aber auch die Bayernhymne zu lernen und zu singen.«
    Wie auf ein Stichwort sammelten sich die Pfadfinder und bildeten einen Kreis um den Liegenden. »Tu es, Spack. Go on!«
    Und mit einer Stimme laut und rein, dass die Himmelssternchen tanzten und die Rentner in den Nachbarhäusern sich aus ihren Fenstern stürzten, hub Markus Söder hymnisch luftvoll an und sang in diese unvergessliche Dezembernacht:
    »Gott mit dir, du Land der Bayern, deutsche Erde, Vaterland! / Über deinen weiten Gauen walte seine Segenshand! / Er behüte deine Fluren, schirme deiner Städte Bau / und erhalte meinen, Söders, eminenten Superhau.«
    Am nächsten Morgen hatte er aber alles vergessen.

    Der verzauberte Barde
    Ein Mann ging in die Stadt, um sich einen Ferrari mit Sitzheizung zu kaufen, denn der Winter war grimmig kalt und der Mantel des Mannes kaum dicker als ein Papyrus. Weil er jedoch ein armer Mann war, reichte das Geld nicht, und so beschloss er, zum Ersatz ein Brötchen von gestern zu erwerben. Kaum aber hatte er den ersten Bissen verzehrt, kam eine wunderschöne Fee geflogen, deren Gewand noch vielmal dünner war als der Mantel des Mannes. Und also sprach sie: »Wahrlich, ich sage euch: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass mir nicht kalt ist, und selig, wer mir seinen Mantel überlässt.« Da ging der arme Mann hin und überließ der Fee seinen Mantel, worauf ihn so sehr fror, dass er ihr ihn gleich wieder entriss und umgekehrt. Nun war aber die Fee ein verzauberter Säbelzahntiger. Mit einem herzhaften Haps verschlang er den armen Mann, nicht ahnend, dass derselbige gleichfalls nicht er selbst, sondern der verhexte Heintje war, welcher im Bauche des Tiges augenblicklich nicht nur schrecklich rumpelte und pumpelte, sondern loslegte: »Maaammaaa, du sollst doch nicht um deinen Juunngen weiiinääänn!« Da aber sogar der Säbelzahntiger von einer Hexe verflucht und ursprünglich Feuilletonchef der F.A.Z . war, wurde ihm das Geplärre so peinlich, dass er keinen andern Ausweg wusste, als seine Stelle zu kündigen und im islamistischen Somalia unterzutauchen, wo er, bis zu seinem Ende im März dieses Jahres, als Bauchsänger durch die Heavy-Metal-Clubs zog – halb wahnsinng, doch geliebt von den Frauen.

DER COUP
    »Ich hab’s geschafft«, dachte lachender Seele Radtke, Olaf Radtke, Gerüstbauer aus Minden/Westfalen, nahm mit einem Sprung die zwei Stufen hinunter zum Gleis, warf den Kopf in den Nacken, der Sonne, der Freiheit entgegen, und sog die heiße Februarluft tief ein. Aah! Willkommen Italien, Land der Zitronen; vamos Silizien! Sperrig rückte er den Tropenhelm zurecht, steckte seine Hände in die Hosentasche seiner naturbeige knitterigen Leinenwear und schlitzte die Augen. Dann glitt er federnd Richtung Bahnhofshalle.
    Und wie das losging! Schon hinter der Theke der erstbesten dampfenden Imbissbude tänzelte, unter weißgott blauschwarzer Inselbehaarung, eine feurige Eva Spaghettispanockel.
    »Einmal Pommes rotweiß, aber pronto toronto«, sonorte Radtke mafiotisch, mit jeder Silbe polyglotter ins Mediterrane tauchend, lehnte sich an die wärmende Theke und wähnte sich für einen Augenblick ganz allgemein vom Eindruck überrascht, dass die reguläre Außenluft sooo siedend freilich gar nicht sei. Sondern im Gegenteil kühl. Gar kalt. Die daheimgelassene Bomberjacke, dachte Radtke für Sekunden innig und widerstrebend zugleich, käme momentan nicht übel; »und einen Milchkaffee con Latte! Con Ständer höhö!« Italienisch konnte er dank eines früheren Ibiza-Trips halt derart fließend, dass für einen funny Superflirt noch immer Platz war, immer Luft.
    Laszivisch füllte die Lolita die Friteuse. Noch alles da? Radtke gluckste. Immer wieder hatte er während der endlosen Zugfahrt hart auf sein Herz gefasst, geprüft, ob es noch da sei. Sein neues aberdickes Portemonnaie. Es war. Samt tausend Otzen aus dem vormaligen Besitz der Mindener Kreissparkasse.
    »Na, Ornella, kannsten Porsche wechseln? Wenn nich’, stimmt so.« Ein Spuckefädchen hing aus Radtkes Mund, als er einen Hunderter zu einem Röhrchen rollte, an der Spitze anleckte, sich von der Theke einen Strohhalm griff und ihn augenzwinkernd in den Blauen fabrizierte.
    »Nur falls Sie noch nix vorhaben, Frau Loren«, säuselte der Flüchtige und ließ, von derlei eigener Luftigkeit nicht
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