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Blanks Zufall: Roman

Blanks Zufall: Roman

Titel: Blanks Zufall: Roman
Autoren: Christian Sidjani
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legte es zur Seite, als der Zuschauer nach nur wenigen Sekunden mitteilte, er habe sich entschieden.
    „Und jetzt stellen Sie sich diese Karte bitte in Ihrem Kopf groß und plastisch vor. Stellen Sie sich vor, wie die Zahl und der Trumpf groß vor ihren Augen leuchten und senden Sie es mir, indem Sie ganz laut wiederholt daran denken, zum Beispiel: Pik-Dame, Pik-Dame, Pik-Dame...“
    „Fuck off“, sagte der Zuschauer, was mit „Das gibt’s doch nicht“ übersetzt wurde. „Das ist die Karte.“
    „Ehrlich?“, sagte Damon Black und holte sich eine Zigaretten-Schachtel und ein Feuerzeug aus seiner Tasche, „sind Sie sich da sicher?“
    „Klar bin ich mir sicher“, lächelte der Zuschauer, „Toll, wie Sie das machen.“
    „Das ist komisch“, erwiderte der Mentalist, zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Denn in dem Kartendeck ist gar keine Pik-Dame.“
    Der Zuschauer lächelte verunsichert.
    „Wie? Natürlich ist die da drin. Ich hab' sie mir doch gerade ausgesucht.“
    „Dann schauen Sie nach.“
    Der Zuschauer nahm das Kartendeck und suchte nach der Karte. Zeit verstrich, in der niemand ein Wort sprach. Gelassen paffte Damon Black weiter.
    „Die ist wirklich nicht drin“, ließ der Zuschauer dann die anderen wissen und in dem Moment hustete Damon Black auf. Alle Augen und die Kameras richteten sich auf sein Gesicht. Er rauchte noch immer, aber in seinem Mund steckte nun, sichtbar für jeden, eine auf Zigarettengröße gerollte Spielkarte, die Pik-Dame, angebrannt und rauchend.
    „Grandios“, sagte der Zuschauer und applaudierte heftig, das Publikum ebenfalls. Über Damon Blacks Gesicht legte sich ein zufriedener Ausdruck, der Marcus faszinierte. So fühlte sich jemand, der den Erwachsenen das Kind wiedergeben konnte. Auch wenn Marcus fast selbst noch eins war, wollte er genau dieses Verlangen nach Spektakulärem stillen. Es war harmlos, hatte aber einen immensen Effekt auf andere Menschen. 
    Das war der Vormittag, an dem Marcus sich entschied, Mentalist zu werden, nicht Zauberer oder Magier, sondern einer, der vorgab, Gedanken zu lesen. Ohne zu lügen! Eine Wahrheit zu erfinden, die jeder gerne bereit war zu glauben, weil sie unterhielt.
    Er mochte es, sich vor anderen zu präsentieren, nur es fiel ihm immer schwerer etwas zu finden, dass er auch zeigen konnte und wollte. Für seine kindischen Sketsche und die unsäglichen Lieder mit zweifelhaft gutem Gesang war er zu alt geworden; und auch seine Mutter spielte ihr Interesse mehr als dass es wirklich vorhanden war. Mit Zauberei fand Marcus endlich seine eigene Technik für eine, bisher nur eingebildete, Bühne. Sein Geist war durchdrungen von dieser Antwort und dem Verlangen, gleich mit dem Üben zu beginnen. Diese Erleuchtung war physisch, Marcus hatte eine Gänsehaut und er zitterte leicht.
    Als die Sendung vorbei war, konnte er nicht mehr warten, bis seine Mutter erwachte. Marcus musste ihr in seinem kindlichen Eifer sofort mitteilen, was er vorhatte, auch wenn sie erst am Morgen von der Nachtschicht nach Hause gekommen war. Er kochte Kaffee (viel zu wässrig, wie sie später befand), brachte einen Becher mit ins Schlafzimmer und weckte sie mit einem „Mama! Mama! Ich werde Mentalist, hörst du, ich werde ein großer Mentalist!“.
    Das Dringende in seiner Stimme, das sie so lange nicht mehr vernommen hatte, war wohl der Grund, warum sie nicht böse wurde. Und nachdem er ihr von der Sendung, und von der brennenden Karte erzählt hatte, blieb ihr nichts übrig als zuzustimmen, ihm gleich am nächsten Tag ein Kartendeck und ein Buch über Kartentricks kaufen zu wollen.
    Claudia hatte zwei Tage hintereinander frei, bevor sie wieder für drei Wochen im Krankenhaus arbeiten musste, und am Montag holte sie Marcus von der Schule ab. Normalerweise hätte er sich das Ganze vom Taschengeld leisten müssen, aber seine Begeisterung hatte sie angesteckt. Sie freute sich für ihn, dass er gefunden hatte, was er zwar nicht suchte aber doch so brauchte. Sein ganzes Wesen war von jener Vorfreude ergriffen, die er nicht mehr gezeigt hatte, seit sein Vater einen realen Besuch angekündigt hatte (und real nicht erschienen war).
    Claudia fuhr über die Hamburger Straße, die an einem Einkaufszentrum vorbei führte. Marcus erzählte von nichts anderem als von Damon Black und dass er sich von nun an 'Der große Blank' nennen wollte.
    „Er heißt Black, Mama, und ich heiße Blank. Das ist doch kein Zufall.“
    „Aber ich darf
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