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Blanks Zufall: Roman

Blanks Zufall: Roman

Titel: Blanks Zufall: Roman
Autoren: Christian Sidjani
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übersinnlichen Kräfte.“ Damon Black war von Anfang an ehrlich damit, dass er unehrlich war.
    Das gefiel Marcus, der nie an Übersinnliches glaubte, nicht einmal Angst im Dunkeln hatte. Und an einem Sonntag, dem Tag der Wiederholung von Damon Blacks Show, saß er am Vormittag alleine vor dem Fernseher im Wohnzimmer, während seine Mutter noch schlief. Warum er den Fernseher einschaltete, weiß er nicht mehr. Das tat er sonst nie, besonders nicht an einem Sonntag, der mit Lesen, Modellbauen, Musik hören oder mit seinen Freunden so viel besser gefüllt werden konnte.
    Das Fernsehen klaute ihm nur Zeit. Niemand bereitete dort im Verborgenen etwas Wundervolles vor, und dass er mit den Menschen, die auf der Bildfläche erschienen, nicht sprechen konnte, war ihm schon als kleines Kind suspekt gewesen. Das Fernsehen hatte keinen Effekt und war nur Selbstzweck. Bis zu jenem Sonntag schien ihm das Fernsehen ohne magische Augenblicke, aber wenn er heute zurück denkt, war es unausweichlich, das Gerät einzuschalten. Als hatte er gewusst, dass ihn etwas Großartiges erwartete.
    Damon Black tat, was seine Kollegen auch taten, und noch mehr: Er erriet Zahlen, die sich Zuschauer erdachten und nicht aussprachen; er hypnotisierte Menschen, die danach schmerz- und wundenfrei über Glasscherben gehen konnten; er wusste im Voraus, welches Wort sich jemand aus einer ganzen Zeitung suchen würde und präsentierte es niedergeschrieben auf einem Blatt Papier, das die Show über in einer verschlossenen Kiste gewartet hatte (das Wort lautete übersetzt 'Kaltaquise'). Aber er tat nicht so, als könnte er wirklich Gedanken lesen, wenn er fremde Menschen charakterisierte und ihren Beruf, Namen von Freunden und anderes richtig wiedergab, ohne dass sie ein Wort sagten außer „Ja“, „Ja, Sie haben Recht“ und „Oh mein Gott, woher weiß er das?“. Damon Black kommunizierte auch nicht mit einer anderen Seinsphäre oder mit irgendwelchen Geistern.
    Damon Black wusste, wie das Gehirn funktioniert. Das war sein Geheimnis, und er wurde nicht müde, es zu betonen.
    „Bitte glauben Sie keinem Medium oder einem Psychic“, warnte Damon Black zum Abschluss seiner Show, „wenn er oder sie Ihnen sagt, dass er eines ist. Denn es gibt niemanden, der mit den Toten sprechen oder Gedanken lesen kann. Warum diese Menschen trotzdem so gut sind in dem, was sie tun, hat nur einen Grund: Sie sind so gut in den Techniken, die auch ich verwende. Und ich weiß nicht, was schlimmer ist: Menschen, die wirklich fest daran glauben, dass sie übersinnliche Fähigkeiten haben, und aufgrund ihrer Intuition so gut in den Techniken sind. Oder jene, die die Techniken bewusst einsetzen um zu manipulieren. Beide machen das nur, um Geld zu verdienen, Ihr Geld, und nicht, weil sie Ihnen helfen wollen. Denken Sie bitte immer daran.“
    Alles, was Damon Black sagte, musste Marcus in den Untertiteln lesen, weil sein Englisch nicht gut war, aber die Stimme des Mentalisten war so eindringlich und sanft zugleich, dass er dachte, jedes Wort eigentlich gehört zu haben, auch wenn er nicht alles verstand. Damon Black klang wie ein Ratschläge erteilender Vater, der nachdrücklich aber nie brutal seine Kinder maßregelte, wenn sie Fehler machten, und seiner Frau ein gewissenhafter, ehrvoller Ehemann war.
    Wenn Marcus heute zurück denkt und sich fragt, warum er selber Tricks lernen wollte, dann fällt ihm immer wieder ein bestimmter Trick ein, den er in 'Geist über Wahrheit' sah und der ihn seitdem nicht mehr los ließ, bis er begriff, wie er funktionierte (was noch einige Jahre dauerte, bis er endlich so weit war, Magie-Bücher auch auf englisch zu verstehen).
    Das Publikum in der Show war nicht groß, etwa dreißig waren anwesend, und der Raum dementsprechend klein. Eine Bühne gab es nicht und die Wände waren schwarz verhängt worden. Ungefähr in der Mitte der Show brachten Assistenten einen runden Tisch und zwei Stühle in den freien Raum, in dem Damon Black seine Show zelebrierte. Er suchte sich einen Zuschauer als Helfer und bat ihn, sich gegenüber zu setzen. Das Szenario wurde mit Kameras eingefangen, deren Bilder auch auf die Wand hinter dem Tisch und somit hinter Damon Black projiziert wurden.
    Er bat den Zuschauer sich eine Karte auszusuchen, sich schnell zu entscheiden, damit der Mentalist gar nicht die Zeit besaß darüber nachzudenken, welche es sein könnte. Dafür breitete Damon Black ein Kartendeck über den Tisch aus und steckte es sogleich wieder zusammen und
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