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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch
Autoren: L Carroll
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und Tellern, und die Vorratskammer war in einen brandgeschützten, stahlummantelten Safe mit dem sichersten Schloss und dem besten Alarmsystem verwandelt worden, die derzeit zu haben waren. Mir fiel auf, dass die Tresortür offen stand und die Schneegemälde von Pissarro aus ihren Verpackungen genommen und auf zwei Küchenstühle gestellt worden waren. Sie standen so vor den Fenstern und der Flügeltür, die in den Garten hinausführte, dass sie den Blick auf das verregnete, dämmrige Manhattan versperrten und mit der kristallklaren Darstellung schneebedeckter Felder ersetzten. Wieso verkaufen sich Schneebilder während einer Rezession nicht? Ich hätte die Pissarros selbst gekauft, wenn ich das Geld dazu gehabt hätte. Sofort wäre ich in diese starre Welt hellviolett schattierten Schnees geklettert, wenn ich gekonnt hätte.
    Das Pfeifen des Teekessels riss mich aus einer geliebten Kindheitsfantasie, in der ich die Fähigkeit besaß, in ein Gemälde hineinzusteigen. Einen großen Teil meiner Kindheit hatte ich damit zugebracht, mich in Van Goghs Sonnenblumenfelder und seine geordneten holländischen Straßenszenen hineinzuträumen. Ich löffelte russischen Schwarztee in eine Kanne und goss das heiße Wasser darüber. Dann brachte ich die Kanne an den Tisch, faltete ein
weißblau gestreiftes Handtuch darunter zusammen und stellte zwei Tassen dazu.
    »Also, wie schlimm steht es?«, fragte Roman, als ich ihm Tee einschenkte und die Tasse hinhielt.
    »Wir reden später darüber«, sagte ich und ließ meine Augen zu Zach hinübergleiten.
    »Uh-oh, ich sehe schon, ich bin einer Familienaussprache im Weg. Da gehe ich doch besser. Eine meiner Studentinnen eröffnet heute eine Ausstellung, bei der ich ohnehin vorbeischauen wollte …« Zach erhob sich etwas unsicher; es war, als schwankte eine hochgewachsene schwedische Kiefer von beinahe einem Meter neunzig auf farbbeklecksten Doc Martens. Obwohl er seit zehn Jahren kein Bild mehr fertiggestellt hat, sind seine Kleider ständig voller Farbflecken , überlegte ich, während ich mich vorsichtshalber zwischen ihn und die Pissarros stellte. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er bei diesem ständigen Händezittern überhaupt noch einen Pinsel ruhig halten konnte.
    »Lass die Studentinnen in Ruhe, Zach«, sagte ich und neigte den Kopf ein wenig, um mir einen onkelhaften Kuss auf die Wange abzuholen. »Das ist den Studenten gegenüber sonst nicht fair.«
    »Bis später, Jaschemski«, rief er meinem Vater zu, ihn bei jenem Namen nennend, den er bei seiner Ankunft in den USA abgelegt hatte. Ich führte Zach den Flur entlang zur Vordertür und schloss sie hinter ihm. Als ich in die Küche zurückkehrte, trank mein Vater seinen Tee. Die Pissarros waren verschwunden und die Tresortür geschlossen, aber er starrte noch immer auf die Stelle, an der sie bis eben noch gestanden hatten.

    »Letztes Jahr hätten sie sich für sechs Millionen das Stück verkauft«, sagte er. »Selbst nach dem Crash von 1987 haben wir weiter Umsatz gemacht.«
    »Ich habe das Gefühl, dass die Dinge heute anders liegen als 1987, Dad.« Ich setzte mich und schlang die Hände um den Teebecher, aber ich hätte ebenso gut auf jenem verschneiten Feld in Frankreich stehen können, so wenig konnte die Wärme das eisige Gefühl vertreiben, das ich tief in meinen Knochen spürte.
     
    Zwei Stunden später ging ich nach oben, erschöpft von dem demonstrativ zur Schau gestellten falschen Optimismus. Ich hatte den Umschuldungsplan, den Chuck Chennery mir als letzten Ausweg geschildert hatte, in allen Einzelheiten erläutert. Mein Vater schien ihn akzeptiert zu haben, aber auch ihm musste klargeworden sein, dass wir dann, wenn die Wirtschaftslage sich weiter verschlechterte, nicht den Hauch einer Chance besaßen, unsere Schulden je wieder zurückzuzahlen. Dennoch hatte er sich während unseres Gesprächs hartnäckig am Optimismus eines unverbesserlichen Spielers festgehalten.
    »Es wird sich schon noch etwas ergeben!«, rief er mir nach, als ich ihn bis an die Tür zu seiner Wohnung im ersten Stock begleitet hatte.
    Nachdem ich mein Studio auf der zweiten Etage erreicht hatte, fühlte ich mich, als sei mein ganzer Körper in Metall gegossen. Ich schob mir den Riemen der Kuriertasche über den Kopf, ließ sie dankbar auf den Dielenboden fallen … und hörte einen schweren Aufschlag.
    Die silberne Schatulle . Die hatte ich ganz vergessen. Eigentlich hatte ich sie meinem Vater zeigen wollen, aber
dann waren zu viele andere
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