Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch
Autoren: L Carroll
Vom Netzwerk:
Vielmehr hatte ich geradezu das Gefühl, sie sollte mir gehören. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, auf ein Objekt zu stoßen, das mit genau jenem Siegelring verschlossen worden war, den mir meine Mutter gegeben hatte? Und das noch dazu ausgerechnet an diesem Tag, als alles andere in meinem Leben so düster erschien?
    Doch genau das war der Grund, weshalb ich nicht einmal daran denken durfte, einen derart nutzlosen Gegenstand zu erwerben – unter den gegebenen wirtschaftlichen Umständen wäre das leichtsinnig und dumm gewesen. Dennoch … ich malte mir bereits aus, wie ich das Silber polierte, bis es leuchtete … Sanft legte ich die Spitze meines Fingers auf die Oberfläche des Kästchens, stellte mir vor, wie das wirbelnde Muster aus der Umklammerung des angelaufenen Metalls hervorbrach … und zuckte zusammen, als ich sah, dass die fein gravierten Linien plötzlich blau schimmerten. Ich beugte mich hinunter und verfolgte voll Staunen, wie die glühenden Linien Wellen schlugen, sich verbogen und sich von meiner Fingerspitze ausgehend weiter ausbreiteten, als sei das Kästchen aus Wasser und nicht aus Silber, und die glatte Oberfläche sei
von meiner Berührung wie von einem geworfenen Stein durchbrochen worden.
    Als ich den Finger wegzog, wurden die Linien wieder ruhig und stumpf. Ich sah auf und bemerkte, dass der Juwelier das Kästchen anstarrte. Langsam hob er die Augen. In ihnen schien dasselbe Licht zu glühen, das ich gerade zuvor auf der Schatulle hatte schimmern sehen. Sein Blick war so bohrend, dass ich fürchtete, etwas Falsches getan zu haben. Vielleicht hatte ich das kleine Behältnis beschädigt. Aber anstatt mir das Kistchen wegzunehmen, schob er es mir entgegen. »Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten«, sagte er.
    »Was?«, fragte ich, von seiner Wortwahl aufgeschreckt.
    »Ich möchte einen Handel mit Ihnen abschließen.« Seine Hände zuckten zwischen dem Siegel auf dem Kästchen und meinem Ring hin und her. Sie zitterten. Als ich das Geschäft betreten hatte, hatten seine Finger ohne den geringsten Tremor die Uhrmacherwerkzeuge festgehalten, aber nun bebten sie in der Luft wie die Flügel eines Schmetterlings.
    »Es tut mir leid«, sagte ich und fürchtete, den Mann noch weiter aufzuregen. »Ich verstehe nicht. Ich kann Ihnen nichts anbieten …«
    »Sie können mir Ihre Dienste anbieten.« Er schlang die Hände ineinander und zwang ein höfliches Lächeln auf seine Lippen.
    »Welche Dienste?« Plötzlich wurde mir bewusst, wie allein wir hier waren, in diesem kleinen Laden in dieser verlassenen Straße, mit abgeschlossener Vordertür und dem heftigen Regen, der uns wie ein Vorhang aus silbernen Kettengliedern vom Rest der Welt isolierte. War der
Mann verrückt? In seinen Augen lag ein hektischer Schimmer, und er wrang die Hände, als habe er Angst, sie würden aus eigenem Antrieb davonfliegen.
    »Ihre Dienste mit Lötkolben und Zinn. Ich habe gesehen, welch herrliche Arbeiten Sie für Cygnet Designs gefertigt haben … und Sie machen doch auch Metallskulpturen, oder? Wenn ich mich recht erinnere, dann hatten Sie letztes Jahr eine Ausstellung in Chelsea … Ich habe für diese spezielle Arbeit genau nach jemandem wie Ihnen gesucht. Es ist sehr heikel, verstehen Sie …« Er löste die Hände und deutete auf den Rand des Kästchens. Zwei Dinge fielen mir dabei auf. Er berührte das kleine Behältnis nicht, und seine Fingernägel zeigten denselben Gelbton wie seine Augen. »Die Schatulle ist ringsum versiegelt worden.«
    Ich folgte seinem Blick und sah, was er meinte. An der Kante zwischen Deckel und Korpus verlief ein dünner Strich aus Metall, der im Gegensatz zum Silber des Kästchens überhaupt nicht angelaufen war. Er schimmerte wie geschmolzenes Quecksilber. Jemand hatte die kleine Kiste zugelötet und dann das Siegel darauf gedrückt, als sei sie ein Brief, der nur von seinem bestimmungsgemäßen Empfänger geöffnet werden durfte. Und ich war diejenige, die das passende Siegel besaß.
    »Das ist seltsam.«
    »Ja, und sehr lästig. Ich kann eine derart versiegelte Schatulle schlecht verkaufen. Wenn es Ihnen gelingt, sie zu öffnen, gebe ich Ihnen das Siegel und zahle Ihnen tausend Dollar.«
    »Das ist eine Menge Geld …«
    »Nicht für eine so heikle Arbeit. Mir ist es die Sache
wert, jemanden von Ihren Fähigkeiten mit dieser Aufgabe zu betrauen … und davon einmal abgesehen, glaube ich, dass das Schicksal Sie heute hierhergeführt hat, und wer wären wir denn, dass wir die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher