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Black Monday

Black Monday

Titel: Black Monday
Autoren: R. Scott Reiss
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denkt Gerard. Mit Vakuolen wehrt sich der Körper gegen Eindringlinge. Es sind Kapseln, die Bakterien umschließen. Spezielle mit Zellsaft gefüllte Hohlräume in menschlichen Killerzellen. Sie enthalten toxische Sekretionen, die für die Sicherheit der Menschen sorgen.
    »In den Vakuolen verstecken sich die resistenten Tuberkelbakterien«, sagt er.
    »Richtig«, antwortet Larch. »Wenn die Tuberkelbakterien in den Körper gelangen, werden sie von den Killerzellen sofort entdeckt, umzingelt und eingekapselt. Die Killerzellen glauben, sie hätten das Bakterium vernichtet, aber das resistente Bakterium lebt in der Kapsel weiter. Und wartet. Es wartet in aller Ruhe ab, bis der Wirtsorganismus durch Alter, Krankheit oder Erschöpfung geschwächt ist. Es kann sich leisten zu warten, weil sein Wirt es für tot hält.«
    Gerard fragt Larch: »Das heißt, es lebt noch?«
    Larch zuckt nur wortlos die Achseln. Wenn er aufhört, Fragen zu stellen, weiß man, dass man das Richtige gesagt hat.
    »Aber er ist in das brennende Haus gegangen und nicht wieder rausgekommen«, sagt Gerard zu Larch. »Das haben die Soldaten gesagt.«
    Die roten Schnapper an der Wand verwandeln sich in Delta-3-Mikroben, die herumschwimmen, leuchten und sich vermehren, als wäre die Lehmwand aus Öl. Gerard sagt zu Larch: »Sie wollen also darauf hinaus, dass Delta-3 unser eigenes Verteidigungssystem benutzt, um sich zu schützen. Woraus besteht denn unser Verteidigungssystem? Aus der Armee, der Polizei, den Ölleuten. Die Letzten, die wir je für einen solchen Angriff verantwortlich machen würden.«
    Die Mikroben verwandeln sich erneut und nehmen menschliche Gestalt an. Die kleinen Bazillen in der Wand sehen alle aus wie der Mann im Zoo.
    Dann muss jemand von hinten in die Hütte gekommen sein, obwohl es dort gar keine Tür gibt. Jemand klopft Gerard auf die Schulter. Er wacht auf. Mit Entsetzen stellt er fest, dass die Hand, die ihn auf die Schulter geklopft hat, real ist. Bartholomew Young steht neben seinem Bett und beugt sich über ihn. Gerard spürt den Schalldämpfer an seiner Schläfe und eine Hand, die ihm den Mund zuhält.
    Vakuolen.
    »Ist er in Sicherheit?«, flüstert der Mann.
    Seine Hand schmeckt nach Blut. Blutet er? Gerards Pistole liegt in der Nachttischschublade, außerhalb seiner Reichweite. Aber er muss trotzdem versuchen, an sie ranzukommen. Denn dieser Mann wird seine Frau und seine Kinder töten, wenn sie kommen.
    »Dr. Gerard?« Der Griff der Hand auf seinem Mund lockert sich ein wenig.
    Es hört nicht auf, denkt er. Es wird nie aufhören.
    Dr. Larch ist wieder da, er flüstert ärgerlich, fuchtelt mit seiner Pfeife, um seine Worte zu unterstreichen. »Das Tuberkel ändert seinen Namen, begreifen Sie denn nicht, Greg? Es sagt, ich bin eine Vakuole. Ich heiße jetzt nicht mehr Tuberkel.«
    »Dr. Gerard!«, zischt der Mann und drückt die Pistole fester gegen seine Schläfe.
    Und Gerard denkt: Die Namen!
    »Nennen Sie mich Lawrence«, flüstert Gerard, um irgendetwas zu sagen, um Zeit zu schinden, um nachzudenken und den Mann aus dem Konzept zu bringen.
    Der Druck gegen seine Schläfe lässt nach. Im Mondlicht weiten sich Bartholomew Youngs Augen. Sein Atem ist geruchlos, nur heiß, als bestünde er aus reiner Energie und käme aus der Erde wie das Öl. Aber der Name hat seine Wirkung getan.
    »Lawrence … Allenby.« Gerard fügt einen Nachnamen aus dem Buch hinzu, er bietet Assoziationen statt Antworten, winkt mit Möglichkeiten und zwängt sich in eine andere Erscheinung, um zu überleben. Er muss in den Mantel des Wissens schlüpfen. Er fragt sich: Warum hat niemand diesen Mann über den Zaun klettern sehen?
    Der Mann ist verblüfft. Was auch immer er erwartet hat, was auch immer er hören wollte, das war es nicht. Einen Moment lang scheinen seine Gesichtszüge zu entgleisen. Gerard sieht ein Wirrwarr von Gefühlen. Als würde Picasso das Gesicht neu zusammenfügen, die Gefühle stapeln und sich überlegen, wie er sie anordnen soll.
    »Sie haben Ihren Ururgroßvater erwähnt«, sagt Gerard in Anspielung auf das Buch, in dem Versuch, den Mann zu quälen, ihn abzulenken und zum Zurückweichen zu bewegen. Damit er selbst an die Pistole in der Schublade kommt.
    Aber noch kann Gerard sich nicht rühren. Sollte er es versuchen, würde der Mann ihn töten. Schon wenn er sich anspannt, wird der Bann gebrochen sein. Er darf nur seine Lippen bewegen. Welche Worte werden ihn am Leben halten?
    »Der Laptop –«, setzt er an.
    Bartholomew
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