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Black Monday

Black Monday

Titel: Black Monday
Autoren: R. Scott Reiss
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um eine andere Wohnung zu kümmern, oder weil ihre Mietreferenzen verhindern, dass man ihnen eine andere Wohnung vermietet.
    Seit kurzem beeinträchtigen die Probleme rund um das Haus die ganze Nachbarschaft. Zuerst verhaftete die Polizei einen Mitarbeiter des Senats aus Tampa, einen Bewohner von 5110, der per E-Mail Bombendrohungen ins Weiße Haus geschickt hatte. Dann gab es zwei Studenten der American University, die ihre Partys mit dem Verkauf von Drogen finanzierten und rund um die Uhr Kunden in ihrer Wohnung empfingen. Wenn morgens um drei irgendwo im Viertel laute Musik aus den Fenstern dröhnt, kommt sie in der Regel aus 5110. Als im Juli eine Rattenplage in der Straße ausbrach, konnten die Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde sie auf die erbärmlichen sanitären Zustände im Keller des Gebäudes zurückfuhren. In dem Maße, wie der Ruf des Hauses sich verschlechtert, scheinen auch die Bewohner sich in einer Abwärtsspirale zu befinden.
    Jetzt stehen Gerard, Paulo, Annie und Marisa in dem kleinen Hof von 5110, flankiert von einigen uniformierten Polizisten und Theodore »Teddie« Dubbs. Dubbs, ziemlich groß und kräftig für seine vierzehn Jahre, schlau und durchtrieben, wird von seinem Vater Gordon begleitet. Gordon ist Sicherheitschef im Three Faiths Charities Warehouse in der Nähe des Flughafens und hat, wie Gerard von der Polizei weiß, »Probleme mit seinen Affekten« – so heißt es in diversen Polizeiberichten und in seiner Personalakte. Dubbs war früher selbst einmal Polizist.
    »Ich hab dich mit einem Bolzenschneider gesehen, Dubbs«, sagt Paulo zu dem größeren Jungen. Im vergangenen Monat haben sich die beiden Jungen geprügelt, als Teddie versuchte, einen von Paulos Freunden nach einem von der Kirche veranstalteten Basketballspiel zu bestehlen. Paulo hat keine Angst vor dem Jungen, trotz des Größenunterschieds.
    »Du hast den Bolzenschneider aus einem Van geholt«, sagt Paulo.
    »Das ist doch lächerlich«, faucht Gordon Dubbs. »Teddie kann gar nicht Auto fahren. Er ist doch noch viel zu jung.« Gordon, geschieden, Mitte vierzig, breitschultrig, braunhaarig und gut aussehend, trägt ein sauberes weißes T-Shirt unter roten Hosenträgern. Seinen Rauswurf bei der Polizei hat er bis heute nicht verwunden.
    »Ich wette, du hast auch den Laubsauger von Alice geklaut«, sagt Paulo, der sich nicht einschüchtern lässt, zu Teddie. »Ich wette, du verkaufst die Sachen.«
    »Wenn Paulo so was behauptet, dann stimmt es auch«, sagt Marisa mit geballten Fäusten zu den Polizisten.
    Teddie Dubbs dreht sich verächtlich zu Marisa um, die Gerard heute besonders hinreißend erscheint. Ihr Gesicht ist gerötet, ihr schlanker Körper steckt in engen Jeans und einem T-Shirt, ihre langen Beine enden in reizenden Tennisschuhen, das lange blonde Haar fällt ihr bis auf den verlockenden Hintern.
    Teddie grinst hinterhältig. »Wenn er Ihr Sohn ist, wie kommt es dann, dass er eine ganz andere Hautfarbe hat als Sie, Mrs Gerard? Sie gehen doch nicht etwa fremd?«
    Gerard will sich gerade auf den Jungen stürzen, als plötzlich Dubbs senior vor ihm steht, bereit, sich zu prügeln. Die Polizisten trennen die Männer. Aus der Innenstadt ertönen Sirenen. Wahrscheinlich ein Unfall oder ein Feuer.
    »Zum Teufel mit Ihnen und Ihrer ganzen Familie«, sagt Teddy.
    »Du sollst doch nicht fluchen«, weist ihn Gordon zurecht, kann sich aber ein Grinsen nur mühsam verkneifen.
    »Fass meinen Bruder an, und ich schlag dir den Schädel ein«, sagt Annie, die genauso alt ist wie Teddie und schon jetzt eine Schönheit. »Aber wenn ich es mir genau überlege, wird er es wohl selbst tun.«
    »Er ist nicht dein Bruder. Du bist schwarz, und er ist irgendwo aus Mexiko oder aus einem dieser Scheißländer, wo die Transportarbeiter herkommen.«
    »Aus Brasilien«, sagt Paulo aufgebracht. Seine kupferroten Locken sind zerzaust. Sein Brustkorb entwickelt sich und seine Gliedmaßen werden länger. »Wir haben uns gegenseitig als Familie ausgesucht«, fügt er hinzu, und Gerard vernimmt voller Stolz die Worte, die er und Marisa ihren Kindern beigebracht haben.
    Officer Danyla fragt Paulo: »Hast du gesehen, wie Teddie dein Fahrrad genommen hat?«
    »Den sieht nie jemand. Dazu ist der viel zu schlau.«
    An diesem Abend wird keine Anzeige erstattet. Die Familien gehen ihrer Wege. Aus einem Fenster im fünften Stock von 5110 dröhnt Rockmusik.
    Teddie dreht sich noch einmal um und ruft hinter Paulo her: »Wart's ab, du Zwerg. Ich krieg dich
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