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Black Monday

Black Monday

Titel: Black Monday
Autoren: R. Scott Reiss
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Festnetz.
    »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen? Normalerweise werde ich erst nach drei Gin Tonic neugierig, nicht schon nach zweien«, kichert eine angeheiterte Blondine, die sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hat, einen Pappteller mitzubringen. Gail Hansen ist Eigentümerin einer Kunstgalerie und versucht regelmäßig, mit Gerard anzubändeln. Sie schlendert hinüber, wenn er im Garten ist, ruft ihn an, wenn etwas in ihrem Haus repariert werden muss, bietet ihm an, ihm und den Kindern etwas zu kochen, wenn Maria zu Besuch bei ihren Eltern in Vermont ist.
    »Sie würden doch nie auf die Idee kommen, aufdringlich zu sein, Gail.«
    »Ich habe mich immer gefragt, warum Sie Kinder adoptiert haben, anstatt eigene zu produzieren. Ich meine, mit so einer schönen Frau?«
    »Als ich Annie im Sudan und Paulo in Brasilien begegnete, habe ich mich auf der Stelle in sie verliebt«, erwidert er, auch wenn die andere Hälfte der Antwort lautet: Wir können keine eigenen Kinder bekommen. Wir können von Glück reden, diese beiden zu haben.
    Hamburger und Fragen. Würstchen und Witze.
    »Stimmt es, was im Smithsonian-Magazin in dem Artikel über den ›Mikroben-Jäger‹ über Sie stand? Dass Sie eine Epidemie auf einer philippinischen Air-Force-Base verhindert haben? Dass Sie vom Präsidenten belobigt wurden?«
    Er erinnert sich an eine überfüllte Krankenhausstation mit Dutzenden kranker Männer und Frauen, die völlig verwirrt waren, stöhnten und am ganzen Leib zitterten. Er denkt, Major Novak und ich konnten die Brucellose auf einen infizierten Cafeteriamitarbeiter zurückführen und den Ausbruch der Epidemie mit einem Antibiotikum verhindern.
    Jeder Gedanke an Major Theresa Novak bereitet ihm normalerweise Unbehagen, so auch jetzt.
    »Ich bin bloß ein langweiliger Bürokrat«, erwidert er. Von der Gesundheitsbehörde in die Einheit für die Abwehr biologischer Waffen abgestellt.
    Im Haus hört es nicht auf zu klingeln. Vielleicht sollte er ans Telefon gehen und jemand anderem den Grill-Posten übergeben …
    Aber dann sieht er eine Polizistin auf sich zukommen. Die örtlichen Polizeibeamten sind de facto Bürger von Marionville.
    Officer Danyla ist eine alleinerziehende Mutter, der Gerard im vergangenen Sommer geholfen hat, ihren Sohn in einem Versuchsprogramm der National Science Foundation für die Behandlung von Kindern mit multipler Sklerose unterzubringen.
    »Wir haben Paulos Fahrrad gefunden, Greg. Wollen Sie den Tatverdächtigen sehen? Wir müssten aber ein Stückchen laufen. Unser Streifenwagen ist liegengeblieben. Die Hälfte unserer Wagen streikt. Der Captain hat den Verdacht, dass jemand Zucker in die Tanks gestreut hat, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie solche Vandalen auf unseren Parkplatz gekommen sein sollen.«
    In den letzten Stunden der zu Ende gehenden Ära sind das die schlimmsten Probleme, denen sich Gerard gegenübersieht.
    Ein gestohlenes Fahrrad. Ein gestohlener Laubsauger. Eine Polizistin zu Fuß, weil der Streifenwagen verreckt ist.
     
    »Ich hab das Fahrrad nicht gestohlen. Ich hab es auf der Straße liegen sehen und bin bloß ein bisschen damit rumgefahren. Ich wollte den Besitzer suchen.«
    Einstein hat seine Theorie nie als Naturgesetz formuliert, aber Gerard weiß, dass es bestimmte Räume im Universum gibt, wo Arschlöcher gehäuft vorkommen. Connecticut Avenue fünf-eins-eins-null – genannt »die Oase« – sieht von außen ganz passabel aus: ein verwittertes Steingebäude aus der Vorkriegszeit mit Wasserspeiern an der Dachtraufe und gemauerten Bögen über den Fenstern. Auf den ersten Blick wirkt es kaum anders als die besser erhaltenen Eigenheime, Genossenschafts- und Mietshäuser in der Straße. Aber Gerard weiß auch, dass das Gebäude immer mehr herunterkommt. Der neue Eigentümer versucht, die Mieter zu vertreiben, indem er so wenig Instandsetzungsarbeiten wie möglich durchführt, damit er 5110 in Eigentumswohnungen umwandeln kann. Es gibt Probleme mit der Stromversorgung. Einige Wohnungen stehen leer. Die Aufzüge müssten gewartet werden. Im letzten Jahr ist zweimal ein Feuer in einer leerstehenden Wohnung ausgebrochen.
    Über das Schicksal des Gebäudes wird vor Gericht entschieden werden.
    Offensichtlich bleiben nur die Bewohner, die sich nicht wehren können, wie die Älteren oder diejenigen, die nichts Besseres finden. Manche bleiben, weil das Gericht die Mieten eingefroren hat oder weil sie es von ihrer psychischen Verfassung her nicht schaffen, sich
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