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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel
Autoren: Berni Mayer
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von Raskes Insel.
    »Hoffentlich sagt er nichts über uns«, sagte ich.
    »Was soll er denn sagen, wir haben ja nichts gemacht. Im Gegenteil«, sagte der Mandel.
    »Was meinst du mit im Gegenteil ? Du hättest den Brand doch verhindern können, und du hast nichts in der Richtung unternommen«, sagte ich und sah den Mandel an, dessen Gesicht vom Fernseher beleuchtet wurde. Sonst war alles Licht im Raum gelöscht.
    »Myklebust alleine hätte das nicht getan. Ihn hätte ich abhalten können. Erst als dieser Håvard dazukam, wurde es unübersichtlich. Und bevor ich eingreifen konnte, bist du ja hereingeplatzt«, sagte der Mandel, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden.
    »Ach, jetzt bin ich also schuld?«
    »Es war schon ein ungünstiger Zeitpunkt«, sagte der Mandel.
    »Du spinnst total«, sagte ich.
    »Jetzt reg dich nicht so auf, Sigi. Ist doch alles gut gegangen.«
    »Eine Kirche brennt, und wir waren bei der Brandstiftung anwesend. Das ist alles andere als gut gegangen«, sagte ich und schlug vor lauter Wut die Doppelbettdecke zurück, sodass jetzt auch der Mandel nicht mehr zugedeckt war. Seine Beinbehaarung war verdächtig kurz.
    »Rasierst du dir die Beine?«, fragte ich, aber der Mandel ignorierte die Frage.
    »Woher wusstest du eigentlich, wo ich bin?«, fragte er.
    »Raske hat’s mir gesagt. Er war auch bei der Kirche«, sagte ich.
    »Was hat er sonst noch gesagt?«, fragte der Mandel, der nicht im Geringsten darüber erstaunt oder gar besorgt schien, dass Raske über alles im Bilde war.
    »Ich glaube, er wollte mir beweisen, dass du Utgang dabei hilfst, eine Kirche anzuzünden.«
    »Was für ein Idiot«, sagte der Mandel.
    »Und er hat mir erzählt, dass Aasen jemanden umgebracht hat. Damals in Stavanger.«
    »Kann das sein?«, fragte der Mandel.
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr«, sagte ich. »Wir wollten dich übrigens ursprünglich in Fykse abholen, Aasen und ich.«
    »Ah ja?«, sagte der Mandel.
    »Aber auf der Brücke ist uns ein halb toter, geschminkter Mann vors Auto gelaufen. Sein Unterkiefer war schon halb abgefallen.«
    »Das ist der Gitarrist von Utgang. Grimnir. Hat wohl vom Gesamtkonzept her nicht mehr ganz in die Band gepasst«, erklärte der Mandel fachmännisch, als würde er mir das Original-Line-up der Yardbirds erklären.
    »Er sagte, er heißt irgendwas mit Demo«, sagte ich.
    »Was habt ihr mit ihm gemacht?«, fragte der Mandel.
    »Aasen hat ihn ins Krankenhaus gefahren. Wie geht’s denn jetzt weiter?«
    »Sei mir nicht bös, Sigi, aber ich bin müde. Wir reden morgen«, sagte der Mandel und schaltete den Fernseher aus, ohne mich zu fragen, ob ich gern weitergeschaut hätte. Der Mandel zog die Doppelbettdecke wieder hoch und schlief sofort ein. Ich lag noch ewig wach.
    Der Mandel träumt von dem schwarzen Wasser, in das er immer tiefer hineinsinkt, und er spürt, wie seine Lunge sich öffnet und all das schwarze Salzwasser in ihn hineinlässt, das ihn vergiftet und sein Blut ausdünnt. Ich träume wieder diesen Traum, in dem ich in diesem Hotel in der Petersburger Straße bin. Aber dieses Mal ist es anders. Ich stehe wieder auf dem Dachboden, es ist staubig, und ein süßlicher Geruch liegt in der Luft. Ich wandere durch die riesigen Räume, und ich vermute, ich bin längst nicht mehr in dem Hotel, sondern bereits durch die Dachböden der anderen Häuser die Petersburger Straße hinuntergelaufen. Überall stehen die alten Möbel, hängen die alten Kleidungsstücke und stehen Kisten voller Antiquitäten. Ich habe die Streichhölzer aus der Hotelbar dabei, aber ich will nichts mehr anzünden, ich bin einfach nur müde. Das Alte, das Gestrige und die Bewahrungsmanie stören mich nicht mehr so sehr. Es hat schon auch etwas Tröstliches, wenn alles beim Alten bleibt, finde ich. Außerdem wird mir am Ende jemand auf die Schliche kommen. Irgendein Inspektor von der Versicherung wird eine DNA -Spur auf dem Dachboden finden und mich verhaften. Das will ich nicht. Ich gehe zurück durch die riesigen Räume, die Petersburger Straße wieder hoch zum Hotel, nehme die kleine Treppe ins oberste Stockwerk, dann den Aufzug nach unten und setze mich an die Bar, wo Maria mit einem Pisco Sour in der Hand sitzt. Den trinkt sie, seit sie mal ein halbes Jahr in Santiago de Chile gewesen ist. Sie sieht gar nicht so schlecht aus mit ihrem auberginefarbenen Kleid. Wo warst du, will sie von mir wissen. Ich wollte das Hotel anzünden, sage ich. Warum ich mir so einen Unsinn ausdenke, fragt sie.
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