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Bittersuess

Bittersuess

Titel: Bittersuess
Autoren: Ki-Ela Stories
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fahren…“
    Da ist er wieder, dieser Blick, den er mit Marta und Lucia tauscht.
    „Was ist los?“, frage ich ihn dann misstrauisch.
    „Schatz“, Nicolas setzt sich neben mich auf das Sofa und nimmt mich in den Arm. „Wir würden gerne etwas mit dir besprechen. Also in erster Linie ich natürlich“, er räuspert sich etwas verlegen.
    Ich runzele die Stirn, bekomme dann ein mulmiges Gefühl im Bauch. „Was ist denn?“
    „Stella. Das, was passiert ist, also, was dir passiert ist, hat uns alle sehr betroffen gemacht“, beginnt er dann leise.
    „Es tut mir auch leid …“
    „Das muss es nicht“, lächelt er mir zu und streichelt über meine Wange. „Aber es hat mir gezeigt, dass es in Argentinien einfach nicht die nötige Versorgung gibt, wenn so etwas geschehen sollte. Stell dir vor, es gibt noch mal einen Notfall – es könnte ja auch die Kleine betreffen“, fährt er fort.
    „Nicolas. Du bist auch groß geworden“, sage ich sanft, ich weiß nicht, worauf er hinaus will und langsam werde ich doch ungeduldiger. Alle scheinen hier eingeweiht zu sein – nur ich nicht.
    „Ja, natürlich, ich weiß. Aber diese Dinge sind nun mal nicht selbstverständlich, das haben wir ja gerade schmerzlich erleben müssen“, sein Blick durchbohrt mich. „Stella, was hältst du davon, wenn wir hier leben würden? In Berlin?“
    Ich schaue ihn fassungslos an. Ich kann irgendwie gar nicht begreifen, was er da sagt, das kann er doch unmöglich ernst meinen.
    „W… wie bitte?“, ich bin richtig erschüttert.
    „Hier gibt es nun mal eine bessere Versorgung…“
    „Nur weil ich eine seltene Komplikation in der Schwangerschaft hatte?“, ich starre ihn entgeistert an. „ Deswegen können wir doch nicht unsere gesamte Lebensplanung über den Haufen werfen!“
    Ich zittere richtig, bin total aufgewühlt – und verwirrt. Was soll das jetzt alles hier? Unsere Heimat ist doch Argentinien geworden.
    „Selten – ja, das stimmt. Eine vorzeitige Placentaablösung tritt in 0,1 – 1 % der Schwangerschaften auf. Wir können auch gerne mal ausrechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, in Deutschland entführt zu werden“, Nicolas sieht mich durchdringend an. „Beides ist dir passiert, Stella. Kannst du mir jetzt versprechen, dass dir zukünftig nichts mehr geschieht?“
    Ich schaue ihn fassungslos an. „Findest du das jetzt fair?“, frage ich ihn mit heiserer Stimme.
    „Nein Stella, das ist nicht fair. Aber ich möchte das nie wieder erleben müssen. Mal ganz abgesehen davon, dass wir nicht mehr nur zu Zweit sind.“
    Ich schaue mich hilfesuchend zu Lucia und Marta um. „Ihr beide habt euer ganzes Leben dort verbracht. Euch ist doch auch nie etwas geschehen…“
    „ Wir hatten aber keine Alternative, Stella. Wir sehen das genauso wie Nicolas“, Lucia schaut mich entschuldigend an. „Ihr habt hier alle Möglichkeiten, euch steht alles offen. Dein Vater wird euch helfen, hier schnell Fuß zu fassen.“
    Ich lache bitter auf, dann sehe ich zu meinem Vater. „Natürlich…“, ich fixiere ihn mit eisigem Blick. „Das ist es doch, was du immer wolltest, oder?“
    „Hör auf, Stella !“, sagt er mit schneidender Stimme. „Das hier war nicht meine Idee. Aber ich finde den Gedanken sehr vernünftig. Ihr könnt euch hier eine Existenz aufbauen, hier habt ihr alles, was ihr braucht. Und du musst keine Sorge haben, ich werde nichts von dir erwarten oder mich einmischen. Du bist eine erwachsene, reife Frau geworden, das habe ich längst verstanden.“
    „ Ich habe in Argentinien auch alles, was ich brauche“, ich stehe auf und gehe mit zitternden Knien zum großen Wohnzimmerfenster. Ich kann den anderen nicht mehr ins Gesicht sehen, fühle mich komplett übergangen, so als ob ich keinen eigenen Willen habe, ob es egal ist, was ich denke. Ich bin noch nicht einmal sauer, ich bin nur so unsagbar traurig.
    „Mal abgesehen von der besseren Schulausbildung“, mischt sich jetzt auch noch meine Mutter ein.
    Ich lege meine Stirn an die Fensterscheibe, sie ist angenehm kühl.
    „Nicolas hat auch Lesen und Schreiben gelernt“, sagt Jonas. In Gedanken schicke ich ihm einen Kuss. Wenigstens einer, der zu mir hält.
    „Was ist mit unserem Haus?“, höre ich mich selbst sagen.
    „Ich habe mich erkundigt“, mein Vater ergreift wieder das Wort. „Man könnte das Haus an Touristen vermieten und es gäbe auch die Möglichkeit, Reiterferien anzubieten. Ich kenne da ein paar Leute, die Interesse hätten zu investieren.“

    Ich
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