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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze
Autoren: Maria Sveland
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gerne in den Arm nehmen, ihm zeigen, wie man eine Orange schält. Er könnte hier in meinem Schoß liegen und sich eine Weile ausruhen.
    Da fällt mir plötzlich ein, dass ich schon vor ein paar Tagen meine Menstruation hätte bekommen müssen. Ich habe sogar Tampons eingepackt, um vorbereitet zu sein. Damit ich nicht aufwache wie Isadora und mir das Blut die Beine runterläuft. Meine Menstruation kommt meistens früh am Morgen. Manchmal mitten in der Nacht, aber nie abends oder am Tag. Aber jetzt, nichts.
    Noch was, meine Menstruation ist immer pünktlich.
    Ich gehe pinkeln und schaue lange aufs Papier. Aber da ist nicht der kleinste Blutstropfen, nur ein bisschen gelber Urin.
    Ich schenke mir ein Glas Rotwein ein und setze mich auf den Balkon und starre ins Dunkel. Ich weiß nicht, was ich denken oder fühlen soll. Es war auf jeden Fall nicht diese Veränderung, an die ich dachte, als ich im Bus saß.
    Der Mann hat seine Schwimmtour beendet und sitzt im Bademantel am Pool und schaut ebenfalls in die Dunkelheit. Eine ältere Frau kommt und setzt sich neben ihn. Er legt seinen Arm um sie, und sie legt ihren Kopf an seine Schulter. Das sieht sehr schön aus, und ich spüre, wie alles überläuft. Ich möchte auch diese selbstverständliche Geborgenheit. Die Ruhe und den Frieden. Die Gewissheit, die richtige Entscheidung zu treffen.
    Der Gedanke an ein weiteres Kind bringt mich noch mehr zum Weinen. Es ist bedeutend schwieriger, mit noch einem Kind eine Revolution anzuzetteln.
    Ich kann es nicht lassen, ich muss an den alten Mann da oben im Himmel denken, der sich kaputtlacht, weil ich in die klassischste aller Frauenfallen getappt bin. Die Frauen dazu bringt, aufzugeben und sich sogar einzureden, dass sie dankbar sein müssen.
    Das muss die Strafe für meine sonnigen Tagträume von Veränderung auf Teneriffa sein.
    Scheiße.
    Wenn ich schon mal am Weinen bin, nehme ich die Gelegenheit wahr, auch dem alten Gram nachzuspüren. Ich weine wegen Gewesenem. Alles, was so schwierig war, als Sigge auf die Welt kam. Das ist immer noch ein wunder Punkt. Tut immer noch weh. Dass wir so hilflos waren. Dass wir uns nicht gegenseitig helfen konnten, als wir es am nötigsten brauchten.
    Ich muss mich bewegen, also ziehe ich meine Turnschuhe und die Kapuzenjacke an und gehe spazieren. Ich laufe die Strandpromenade entlang. Sie ist belebt, und ich hoffe, die Dunkelheit verbirgt mein rot geweintes Gesicht.
    Unten am Strand sehe ich einen Mann in einem Bärenkostüm, er raucht eine Zigarette und hat einen großen Teddykopf unter dem Arm. Er arbeitet vermutlich für die schwedische Reisegesellschaft, die das Familienhotel mit einem Teddyclub für Kinder betreibt. Ich bleibe stehen und bewundere seinen Ernst, er steht ganz still und schaut in einer Art gedankenverlorener Meditation auf das dunkle Meer. Vollkommen unberührt davon, dass er wie ein Stofftier verkleidet ist, unberührt von all den Menschen, die auf der asphaltierten Strandpromenade hinter ihm vorbeigehen.
    Ich möchte auch so cool und selbstsicher sein, so unberührt von eventuellen lächerlichen Kostümierungen!
    Die kühle Abendluft tut gut, und allmählich werden die Gedanken klarer. Ich gehe sehr weit, bis mir die Beine wehtun. Es ist ein angenehmer Schmerz, der mich von meinen Sorgen wieder in die Wirklichkeit zurückbringt. Ganz am Ende gibt es einen Pier, der weit ins Meer hinausragt. Ich gehe hinaus, setze mich und lasse mir von den Wellen Salzwassertropfen ins Gesicht spritzen.
    Ich wünschte mir, dass Johan jetzt neben mir säße und mich festhielte. Ich vermisse seine Nähe, seinen Körper. Vermisse unsere Gespräche. All die Abende und langen Nächte, die wir miteinander verbracht haben, geredet haben. Über alles. Geliebter Seelenfreund! Kein Mann hat mich je so hartnäckig verteidigt, war so stolz auf mich, so angstfrei, hat mich so sehr geliebt. Keiner hat mich auch so sehr verletzt. Hat mich so unendlich enttäuscht.
    Der Gedanke an ein weiteres Kind ängstigt mich. Ich habe Angst, dass ich im gleichen Chaos wie bei Sigge lande. Noch vor ein paar Stunden war ich überzeugt davon, zu wissen, welche Veränderungen nötig sind, aber jetzt weiß ich nicht, ob ich es noch einmal schaffe, mir die Seele aus dem Leib zu schreien. Ich habe Angst, enttäuscht zu werden, Angst, feststellen zu müssen, dass wir nichts aus unseren Fehlern gelernt haben.
    Ich weiß nicht, wie lange ich schon auf dem Pier saß, aber plötzlich höre ich Stimmen hinter mir.
    Ein Paar
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