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Bitteres Geheimnis

Bitteres Geheimnis

Titel: Bitteres Geheimnis
Autoren: Barbara Wood
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Zweifellos war der Traum Sünde gewesen; und zweifellos war es daher unrecht zu hoffen, daß er wiederkehren würde. Sie mußte ihn vergessen, ihn sich mit Gewalt aus dem Kopf schlagen. Den Blick auf die kleine blaugewandete Figur der heiligen Jungfrau gerichtet, die mit sanfter Duldermiene auf ihrem Toilettentisch stand, begann Mary widerstrebend zu beten. »Heilige Maria, Mutter Gottes voller Gnaden ...«

2

    Mike Holland lebte mit seinem Vater und seinen beiden Brüdern in einem großen Bungalow nicht weit vom Haus der McFarlands entfernt. Nathan Holland hatte seit dem Tod seiner Frau vor fast zehn Jahren seine drei Söhne allein großgezogen. Dank jahrelanger Übung schaffte er es mühelos und ohne Panne, wie gewohnt das Frühstück für die ganze Familie auf den Tisch zu bringen, ehe er ins Büro fuhr. Das Geschirr würde er heute stehenlassen, da freitags immer die Zugehfrau kam.
    »Mike? Bist du das?« rief er, als er im Wohnzimmer Schritte und ein verschlafenes Gähnen hörte.
    »Ja, Dad.«
    »Komm, beeil dich ein bißchen. Deine Brüder lassen dir sonst nichts übrig.«
    Mike ging ins Eßzimmer und setzte sich an seinen angestammten Platz. Timothy, vierzehn, und Matthew, sechzehn, sahen nur kurz von ihren mit Schinken und Ei beladenen Tellern auf.
    Nathan kam aus der Küche und stellte seinem ältesten Sohn einen Teller hin. »Ich hab dich gestern abend gehört, Mike. Du bist spät gekommen.«
    »Wir haben ein bißchen länger gemacht.«
    »Von wegen«, warf Timothy grinsend ein. »Du hast Mary auf Umwegen heimgefahren, gib's doch zu!«
    »Halt die Klappe, Tim.« Mißmutig begann er zu essen.
    Er hatte in der vergangenen Nacht schlecht geschlafen. Mary hatte sich mit nächtlichen Verführungskünsten in seine Träume gestohlen. Aber die Träume hatten genauso geendet wie ihre realen Rendezvous immer endeten - unbefriedigend und mit Frust. Kein Wunder, daß Mike mißmutig aufgewacht war.
    »Sherry hat gestern abend angerufen und nach dir gefragt«, bemerkte Matthew, der, wenn auch nur ein Jahr jünger, um einiges kleiner und schmächtiger war als Mike.
    »Sherry ist Ricks Freundin«, sagte Mike.
    »Außerdem«, mischte sich Tim vorlaut ein, »gehört sich's nicht, daß Mädchen Jungs anrufen.«
    »Ich wollte es dir nur ausrichten, Mike.«
    »Okay. Danke, Matt.«
    Die drei Jungen aßen schweigend. Timothy und Matthew hatten aufgeschlagene Bücher vor sich liegen. Der Vierzehnjährige besuchte noch die katholische Schule der Gemeinde St. Sebastian und hatte doppelt so viele Hausaufgaben zu machen wie seine beiden Brüder, die an der Reseda Highschool waren. Aber im nächsten Jahr würde er zum Glück auch endlich auf die Highschool kommen.
    Nathan kam wieder aus der Küche und rollte seine Hemdärmel herunter. »Wieso bist du heute so still, Mike? Ist was nicht in Ordnung?«
    »Ach, mir sitzen nur die Abschlussprüfungen in den Gliedern, Dad. Ich bin froh, wenn sie vorbei sind.«
    Sein Vater gab ihm einen kurzen Klaps der Ermunterung, und er schluckte seinen Kummer hinunter; den Kummer darüber, daß sämtliche Jungen auf der Schule ihn um etwas beneideten, was er gar nicht hatte. Wer würde aber auch die Wahrheit glauben? Daß nun schon seit neun Monaten das hübscheste Mädchen der ganzen Schule seine Freundin war und er noch immer nichts erreicht hatte.
    Mike stocherte in seinem kalten Rührei herum. Im Grund, dachte er verdrießlich, ist Rick der Glückspilz. Wenigstens läßt die dicke Sherry ihn ran.
    »Mary Ann! Mary Ann! Steh jetzt sofort auf!«
    Sie öffnete langsam die Augen und schaute unter schweren Lidern zum Fenster hinüber, durch das das flirrende Licht der Juni sonne in ihr Zimmer strömte. Wieder so ein Morgen, dachte sie gereizt. Das ist jetzt schon der dritte. Wieso wache ich dauernd mit Übelkeit auf?
    Die Tür öffnete sich, und Lucille McFarland steckte den Kopf ins Zimmer. »Noch einmal ruf ich dich nicht, Mary Ann. Wenn ich dich im Auto mitnehmen soll, mußt du endlich aufstehen.«
    Mit einem tiefen Seufzer richtete Mary sich auf und rieb sich schlaftrunken die Augen. Sie spürte nicht einen Funken von dem Schwung und der Energie, die sie sonst morgens aus dem Bett trieben. Am liebsten hätte sie sich sofort wieder hingelegt. Viel leicht kam es daher, daß in zwei Wochen die Ferien anfingen. Viel leicht war es die asiatische Grippe. Noch einmal seufzte Mary zornig und gereizt, dann schwang sie die Beine aus dem Bett. Bis morgen mußte sie das jedenfalls überwunden haben. Morgen war
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