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Bitteres Geheimnis

Bitteres Geheimnis

Titel: Bitteres Geheimnis
Autoren: Barbara Wood
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ist Judy Garland als Gast da.«
    »Ich kann nicht, Mutter. Ich muß meine Arbeit diese Woche abgeben, und ich habe sie noch nicht getippt.«
    Als sie hinausgehen wollte, legte Lucille ihr die Hand auf den Arm und hielt sie fest. »Geht es dir wirklich gut, Kind?« fragte sie leise.
    Mary lächelte flüchtig und drückte ihrer Mutter die Hand. »Aber ja. Ich hab nur so viel im Kopf. Du weißt doch, wie das ist.«
    Auf dem Weg zu ihrem Zimmer machte Mary kurz halt, um einen Blick ins Wohnzimmer zu werfen, wo ihr Vater sich mit einem Glas Bourbon in der Hand auf dem Sofa niedergelassen hatte und am Fernseher herumschaltete.
    Ted McFarland war ein gutaussehender Mann, mit seinen fünfundvierzig Jahren immer noch so schlank und elastisch wie in seiner Jugend. Morgens vor der Arbeit ging er regelmäßig schwimmen, und einmal in der Woche trainierte er in einem Fitnessklub. Das kurze, leicht wellige Haar war dunkelbraun und an den Schläfen schon leicht ergraut. Er hatte ein weiches Gesicht mit kleinen Lachfältchen um die Augen, die verrieten, daß er nicht zum Trübsinn neigte.
    Mary liebte ihren Vater abgöttisch. Einen ernsthaften Krach hatte es nie zwischen ihnen gegeben, und er war immer da, wenn sie ihn brauchte. Auch neulich abend, nach dem Schrecken im Schwimmbecken, als sie den elektrischen Schlag bekommen hatte, war er es gewesen, der sie in die Arme genommen und getröstet hatte.
    »Ich geh jetzt in mein Zimmer, Dad«, sagte sie.
    Er sah auf und schaltete automatisch den Ton des Fernsehapparats ab. »Kein Fernsehen heute abend? Ist die Arbeit so wichtig?«
    »Ich muß sie tippen, wenn ich ein A, die Höchstnote, kriegen will.«
    Er streckte lächelnd den Arm nach ihr aus. Sie ging zu ihm und setzte sich auf die Sofalehne neben ihn.
    »Außerdem«, fuhr sie fort, während er den Arm um sie legte, »brauche ich gute Noten, wenn ich in der Begabtenklasse bleiben will.« Sie starrte auf den lautlos berichtenden Nachrichtensprecher auf dem Bildschirm und fand, er hätte einen Stich ins Grüne. »Die Farbe stimmt nicht, Dad.«
    »Ich weiß. Irgendwann demnächst werden sie's schon besser hinkriegen. Bis dahin müssen wir mit dem zufrieden sein, was sie uns bieten.«
    »Und was gibt's Neues in der Welt?«
    »Nicht viel. Die Schwarzen im Süden demonstrieren immer noch. Jackie ist immer noch guter Hoffnung. An der Börse ist immer noch Baisse. Alles unverändert. Moment mal, nein! Ich hab was vergessen. Sybil Burton hat Richard heute endlich verlassen.«
    Mary lachte. »Ach, Dad.« Sie schlang ihm die Arme um den Hals und gab ihm einen Kuß. Als sie aus dem Zimmer ging, hörte sie die plötzlich wiedereinsetzende Stimme des Nachrichtensprechers. »... gab heute bekannt, daß der Theologe Hans Küng sich dafür ausgesprochen hat, den Index verbotener Bücher abzuschaffen ...«
    Sie saß an ihrem Schreibtisch und starrte mit leerem Blick auf das Foto Richard Chamberlains, das an ihrer Pinnwand den beherrschenden Platz einnahm. Vor ihr lagen die Bilder ausgebreitet, die sie zur Illustration ihrer Facharbeit über die Kathedralen Frankreichs ausgeschnitten hatte. Aber sie hatte die Schreibmaschine bis jetzt nicht angerührt. Die Musik der Platte, die sie aufgelegt hatte, schwermütig gesungene Lieder von Joan Baez, drang nicht zu ihr durch. Sie war mit ihren Gedanken wieder bei dem Traum der vergangenen Nacht.
    Halb wünschte sie, die aufwühlende Erinnerung abschütteln zu können, halb genoß sie sie auch mit einer heimlichen Wonne. Sie verstand nur nicht, warum ihr Unterbewußtsein nicht Mike, sondern ausgerechnet den heiligen Sebastian für die Rolle des Liebhabers auserkoren hatte.
    Merkwürdig, fand sie jetzt, wo sie darüber nachdachte, daß sie in den sieben Monaten, seit Mike ihr Freund war, nicht ein einziges Mal von ihm geträumt hatte. Obwohl sie sehr viel über ihn phantasiert hatte. Bis zum Geschlechtsakt selbst allerdings waren diese Tagträume nie gegangen. Mary Ann McFarland erlaubte sich keine sündhaften Gedanken.
    Seufzend stand sie auf und ging rastlos in ihrem Zimmer umher. Filmstars, Popsänger und ein nachdenklicher Präsident Kennedy blickten von den Wänden zu ihr hinunter. Auf der Kommode lagen neben ihrem Schul-Sweatshirt und mehreren Dosen Haarspray Fotos von Mike Holland im Football-Dress.
    Mary streckte sich auf ihrem Bett aus. Die erotischen Erinnerungen an den heiligen Sebastian ließen sie nicht los; die Erinnerung nicht nur an den Traum, sondern vor allem daran, wie er geendet hatte.
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