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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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Ihr Glas ausspülen.« Sie begab sich damit ins Gäste-WC, wusch es gründlich aus und kam wieder zurück. Professor Perl war vom Sessel geglitten. Sie hielt das Glas kurz an seine Lippen, prüfte, ob ein schwacher Abdruck zu sehen war, stellte es auf den Tisch zurück und goss einen winzigen Schluck Champagner ein. Dann bückte sie sich zu ihm hinunter, fühlte seinen Puls. Als Nächstes nahm sie ihre Mappe und brachte sie nach nebenan in ihr Büro. Als sie zurückkam, warf sie einen letzten schnellen Blick auf den am Boden Liegenden, wählte dann die Sternchentaste und die Sieben.
    »Dr. Hermanns.«
    »Schnell, Dr. Hermanns, kommen Sie!«, schrie sie aufgeregt ins Telefon. »Professor Perl, er ist zusammengebrochen, sein Herz.«
    Wenig später kam Dr. Hermanns, gefolgt von einem Reanimationsteam, ins Büro gerannt.
    »Zur Seite!«, forderte Dr. Hermanns schroff und beugte sich über den Professor. »Ich spüre keinen Puls.«
    Eine Trage wurde hereingefahren. Eilig hoben die Helfer den leblosen Körper des Professors darauf. Umgehend begannen sie ihn zu beatmen und versuchten, seine Vitalfunktionen wiederherzustellen.
    Seine Sekretärin wich nicht von seiner Seite, bis er in den OP gerollt wurde. Um sie herum versammelten sich nach und nach Kollegen aus dem Krankenhaus. Alle zeigten sich entsetzt über den plötzlichen Zusammenbruch des Klinikleiters, der in Kürze hätte am Herzen operiert werden sollen. Die Bestürzung, als Dr. Hermanns aus dem Operationssaal trat, sich den Mundschutz abzog und mit einem Kopfschütteln signalisierte, dass der Kampf um das Leben des Professors verloren war, hätte größer nicht sein können. Frau Berger brach ohnmächtig zusammen.
    Als sie wieder zu sich kam, stand Dr. Hermanns an dem Bett, in das man sie gelegt hatte.
    »Es tut mir so leid, Frau Berger. Ich weiß, wie treu ergeben Sie Professor Perl über all die Jahre waren.« Er reichte ihr ein Taschentuch, damit sie ihre Tränen abtupfen konnte.
    »Danke«, brachte sie hervor, nachdem sie sich geschnäuzt hatte.
    »Wir hätten sein Herz früher operieren müssen. Ich mache mir schreckliche Vorwürfe, dass ich seinem Wunsch entsprochen und den Termin auf nächsten Monat verschoben habe.«
    »Aber das konnten Sie doch nicht ahnen«, sagte sie. »Sie trifft nun wirklich keine Schuld. Wenn jemand schuld ist, dann ich. Ich war es, die mit ihm ein Glas Champagner getrunken hat.«
    Er bemühte sich um ein Lächeln. »Niemand kann ahnen, was richtig oder falsch und wann unsere Zeit gekommen ist. Wenn es Ihnen ein Trost ist, auch über seinen Tod hinaus wird Professor Perl Gutes tun.«
    Sie blickte auf, Tränen standen in ihren Augen.
    Dr. Hermanns ergriff ihre Hand. »Professor Perl hat Blutgruppe AB positiv. Und Sie wissen ja, wie sehr er sich für die Organspende engagiert hat.«
    Sie nickte und senkte den Blick. »Es war das Wichtigste in seinem Leben.« Sie sah auf. »Brauchen Sie seinen Ausweis?«
    Er schüttelte den Kopf. »Den haben wir schon. Er war in seiner Geldbörse. Wir haben ihn an eine Herz- Lungen-Maschine angeschlossen und werden gleich prüfen, welche Spendenempfänger infrage kommen.«
    »Ich habe die Listen erst heute Morgen aktualisiert«, sagte sie. »Soll ich sie holen?«
    »Das wird nicht nötig sein. So zuverlässig, wie ich Sie kenne, haben Sie die Daten doch bereits im System abgeglichen, oder?«
    Sie nickte.
    »Sehen Sie. Sie sollten jetzt nach Hause fahren und sich ein wenig ausruhen. Wir werden hier alles regeln. Ich werde der guten Ordnung halber gleich die Polizei verständigen, aber das ist reine Formsache.«
    Sie nickte, schlug die Decke beiseite und setzte sich auf den Bettrand. »Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden. Wenn noch irgendetwas sein sollte oder ich Ihnen helfen kann, geben Sie mir Bescheid.«
    Sie fasste sich an den Diamantanhänger.
    »Was für ein wunderschönes Schmuckstück«, bemerkte Dr. Hermanns.
    »Es ist ein Geschenk von Professor Perl«, erklärte sie. »Er hat es mir erst vor wenigen Stunden gegeben. Heute ist mein 25-jähriges Dienstjubiläum. Deshalb auch der Champagner.«
    »Ausgerechnet«, murmelte er. »Nun, wir müssen dankbar sein für die Zeit, die wir für Professor Perl tätig sein durften. Und machen Sie sich nur keine Sorgen. Für Sie wird in dieser Klinik immer ein Platz sein, auch wenn wir noch nicht wissen, wie wir ohne diese Koryphäe weitermachen sollen.«
    Sie winkte ab. »Darum mache ich mir jetzt noch gar keine Gedanken«, sagte sie. »Offen gesagt, kann
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