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Bittere Delikatessen

Bittere Delikatessen

Titel: Bittere Delikatessen
Autoren: Horst Eckert
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wollte er warten. Wenn der Mörder eintrat, würde die Wohnungstür ihn zunächst verdecken. Ben hätte den Überraschungseffekt auf seiner Seite. Er legte die Pistole auf den Schoß.
    Als die Musik zu Ende war, gab es wieder dieses Knirschen. Ben stand auf und drehte die Platte um.
    Von seinem Sessel aus musterte er die Bilder, die an der Wand hingen. Schwarz-weiße Grafik, Stierkampfszenen. Jedes Bild trug den berühmten Schriftzug: Picasso. Ben fiel die Gewalttätigkeit der Szenen auf: Speere bohrten sich in die Körper, Stierhörner schlitzten Pferdeleiber auf. Ein toter Torero. Blut.
    Ben dachte mit Schaudern daran, dass Machnitzky irgendwo in dieser Wohnung eine ähnliche Fotosammlung wie Falk besaß. Traube musste krank sein, aber etwas in Ben ließ ihn die Morde verstehen.
    Draußen dämmerte es, und die Konturen der Stiere und der Matadore verschwammen allmählich.
    Ben musste gähnen. Längst hatte er den Plattenspieler ausgeschaltet. Er lauschte einer Diskussion, die von der Straße heraufschallte. In der Ferne hupte die Alarmanlage eines Autos. Ein Hit von Michael Jackson dröhnte aus einem Autoradio herauf. Ben stellte sich einen übergroßen Kenwood-Aufkleber in der Heckscheibe eines Opel-Manta vor. Er fächelte sich mit dem Plattencover Kühlung zu und gähnte in Serie. In den letzten drei Nächten hatte er vielleicht gerade mal zwölf Stunden Schlaf gehabt. Im Haus war es still, und Ben nickte schließlich ein.
     
    Plötzlich war er hellwach. Es klingelte.
    Ben schreckte hoch und entsicherte die Waffe. Es klingelte ein zweites Mal. Ben atmete durch und drückte auf den Türöffner.
    Unten summte es, und die Tür wurde aufgedrückt.
    Behutsam öffnete er die Wohnungstür einen Spalt, vielleicht hätte Machnitzky das auch getan. Er sah auf die Uhr: Es war erst zehn Uhr.
    Ben wartete und lauschte.
    Er vernahm Schritte und ein leises Keuchen, wie von jemandem, der es nicht gewohnt war, viele Treppen zu steigen. Ben hörte, wie die Schritte näher kamen, Stockwerk für Stockwerk. Seine Rechte krampfte sich um die Waffe.
    An der Tür hielt der Besucher einen Moment inne.
    Er klopfte. Erst zaghaft, dann fester. Schließlich glitt die Tür langsam zur Seite.
    Ben hörte ein Schnaufen und vorsichtige Schritte. Die Tür versperrte ihm die Sicht. Endlich trat der Besucher ganz in die Wohnung.
    Es war ein Mann, etwas kleiner als Ben. In der Hand trug er ebenfalls eine Pistole. In der Wohnzimmertür blieb der Mann stehen und richtete seine Waffe in den Raum.
    Ben spürte das Erschrecken des anderen, als dieser die Leiche entdeckte. »Scheiße«, sagte der Mann und ließ die Pistole sinken.
    »Schon gut. Steck die Knarre wieder ein«, antwortete Ben.
    Der andere erschrak zum zweiten Mal und fuhr herum.
    Ben sah in zwei entzündete Augen und nickte ins Zimmer, Richtung Heizkörper. »Der vierte Skatspieler.«
    Thomas Swoboda fasste sich an die Herzgegend und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Ich habe schon gedacht, der Mörder sei hier!«
    »Dann bist du also dahintergekommen.«
    »Ja. Irgendwer muss die Fotos ja gemacht haben. Selbstauslöser war das kaum. Ich habe mir Vondermühles Notizbuch besorgt. Und dort fand ich Machnitzkys Adresse. Unter privat.«
    »Du bist schlauer, als ich dachte, Kleiner.«
    »Aber du warst schneller, Großer.«
    »Nicht schnell genug. Hol dir einen Sessel!«
    Sie knipsten das Wohnzimmerlicht an, damit es in der Diele nicht ganz dunkel wurde. Tom legte eine neue Klassikplatte auf. Melodien, die Ben bekannt vorkamen. Er tippte auf Verdi oder Puccini.
    Draußen nahm das Gewitter einen neuen Anlauf, fast so heftig wie zuvor. In Böen prasselte der Regen gegen die Dachfenster. Ben zählte die Sekunden zwischen Blitz und Donner.
    Nach einiger Zeit räusperte sich Tom. »Die Hitze hier weicht einem noch das Hirn auf.«
    »Hm.«
    »Bist du sicher, dass der Mörder hier aufkreuzen wird?«, fragte Tom.
    »Ja.«
    »Keiner der Kollegen hat mir geglaubt, dass ich einen Mann im Hotel gesehen habe. Die glauben eher diesem Zimmermädchen als mir.«
    »Kein Wunder, du hast mit deinen Linsen gespielt und geheult wie ein Schlosshund, während der Mörder entkam.«
    »Fängst du jetzt auch damit an? Ihr seid alle blind!«
    Ben musste grinsen. »Der Blinde in der Geschichte bist du, Tommiboy!«
    »Ich habe gehört, du gehörst auch zu denen, die glauben, dass es die Fabian war. Ihr seid alle ganz verbohrt in die Vorstellung, dass die Fabian es war! Und du bist am schlimmsten. Erst siehst du
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