Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
es Schwierigkeiten gab. Und die gab es häufig.
    »Sage Se mol dem Mädle, daß es net immä de Nachthemde wegräume soll. Die g’höre bis middags an d’ frisch Luft!«
    Fortan baumelten die rüschenverzierten Barchenthemden am Fensterkreuz.
    »Der Kellner soll uns e Holzbredd bringe. Die Zwiebele für de Salat müsse kloig’schnitte sei und net in so große Ring. Awa des mach i mi scho selwer.«
    Amadeo schleppte grinsend ein Brett von Toilettendeckelgröße an.
    »Was soll’n des sei? Schpinat? Bin i denn e Kuh, wo ganze Blätter frißt? Schpinat g’hört g’hackt, des hab i schon als Kind g’lernt.«
    Herrn Wölfle waren die diktatorischen Äußerungen seiner Frau sichtbar unangenehm. Ihm schmeckte die italienische Küche, aber als er sich einmal lobend über die verschiedenen Nudelvariationen ausließ, funkte seine Frau dazwischen: »Mir sind mei handg’schabte Schpätzle lieber. Oder die g’schmälzte Maultasche. Für die ellelonge Schpaghetti zum Esse hab i net g’nug Händ.« Worauf sie dem italienischen Nationalgericht mit Messer und Gabel zu Leibe rückte.
    Das Personal ertrug Frau Wölfle mit dem gleichen Fatalismus, mit dem es auch gelegentlichen Stromausfall oder den Streik der Bäckerinnung hinnahm: Unangenehm, aber nicht zu ändern! Außerdem pflegte Herr Wölfle etwaige Anzeichen einer Rebellion im Keim zu ersticken. Nach dem Gießkannenprinzip verteilte er Trinkgelder, von denen seine Frau nichts wissen durfte, denn die Höhe entsprach so gar nicht der schwäbischen Sparsamkeit. Als plötzlich das Wetter umschlug und von einem Tag zum anderen ein Kälteeinbruch kam, befahl Frau Wölfle ihrem fröstelnden Ehemann: »Denk an die Nachsaisonpreis, Häbbel, dann frierscht au nimmer!«
    Herbert fror weiter, holte sich eine Erkältung, fuhr trotzdem mit nach Nizza, wo es auch nicht viel wärmer war, bekam eine Angina und verbrachte den Rest seines Urlaubs im Bett. Darauf verkündete seine Frau, daß man im nächsten Jahr ganz bestimmt nicht verreisen werde. »Was hot er jetzt von seine fünfäfuchzich Mark pro Tach inklusiv Vollpangsion? Tee un Penicillin! Des kann er dahoim billicher hawe!«
    Als das Ehepaar Wölfle nach drei Wochen ins heimische Epfenbach zurückfuhr, hatte Tinchen noch immer nicht herausgebracht, was ein nördlich der Mainlinie geborener Deutscher unter ›G’sells‹ zu verstehen hatte. Erst aus dem geöffneten Abteilfenster kam die Aufklärung: »Ha no, des isch Mus. Mar-me-la-de! Selbscht eikocht isch se am beschte. I nemm immä Obscht aus’m eigene Garte. Johonnisbäre und Kirsche und vor allem Breschtling. Do brauch man net so viel …«
    Das Wort ›Zucker‹ verstand Tinchen nicht mehr, doch das interessierte sie auch nicht, denn was, um alles in der Welt, waren Breschtling?
     
    Portofino blinzelte ins Sonnenlicht. Träge lag es in der Mittagshitze und schien nahezu ausgestorben. Am Randstein der Uferpromenade dösten zwei Taxis vor sich hin. Neben seinem Wagen hielt der Eisverkäufer Siesta. Sogar die Musikbox gab nur halblaute Töne von sich.
    Tinchen löffelte ihre Cassata. Brandt trank Mineralwasser. Beide schwiegen. Sie waren die einzigen Gäste in der kleinen Bar und darüber hinaus, wie es Tinchen schien, auch unerwünschte, denn der Kellner polierte nun schon zum dritten Mal die Espressomaschine und gab damit deutlich zu verstehen, daß er sich in seinem Dolce far niente gestört fühlte, das jedem standesbewußten Italiener zwischen dreizehn und sechzehn Uhr zusteht.
    Der Ausflug war überraschend gekommen. Brandt hatte ganz einfach vor dem Hotel gestanden und erklärt, der heutige Sonntag sei ja wohl die letzte Gelegenheit für Tinchen, Portofino kennenzulernen, es gehe doch nicht an, daß sie die Perle der italienischen Riviera nicht gesehen habe, und überhaupt müsse er mal ein paar ernste Worte mit ihr reden. So eine Spritztour sei gerade die richtige Gelegenheit dafür.
    Bevor sie protestieren konnte, hatte sich Tinchen im Lancia wiedergefunden – diesmal auf der rechten Seite – und neben ihr hatte ein schweigender Brandt gesessen. Bis Rapallo hatte er belangloses Zeug geredet, aber dann war er plötzlich zur Sache gekommen. Er hatte den Wagen wieder auf der großen Piazza geparkt und war mit ihr genau denselben Weg entlanggebummeit, den sie damals auf der Suche nach einer Boutique genommen hatten. Sogar das kleine Café hatte er nicht ausgespart, sondern bei demselben fußkranken Kellner den gleichen miesen Kaffee bestellt.
    Tinchen hatte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher