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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad
Autoren: Evelyn Sanders
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wenigstens bis zur Schlafenszeit, wenn die Pritschen heruntergeklappt wurden und sich sowieso kein Mensch mehr darum kümmerte, in welcher Aufmachung man in seine Koje kroch. Oma ging ja auch immer mit Socken ins Bett. Jedenfalls im Winter. Wegen der Arthritis. Dumm war nur, daß sie sich nicht in den Speisewagen setzen konnte. Dabei hatte sie Hunger, aber nicht den geringsten Appetit auf kaltes Huhn. Schumann hätte sich wirklich mal etwas anderes einfallen lassen können. Ein Wunder, daß es in Italien überhaupt noch Hühner gab. Eigentlich müßten die schon längst ausgerottet und in den Lunchpaketen verschwunden sein!
    »Bis Weihnachten kann ich jedenfalls kein Huhn mehr sehen!« sagte Tinchen laut, »und ab morgen werde ich mich an Muttis Diätkur beteiligen. Die drei Kilo zuviel müssen wieder runter! Am Ende glauben noch alle, daß ich heiraten
muß!
«
     
    Beim Anblick der Schrebergartenkolonien, die die Vororte von Düsseldorf signalisierten, wurde Tinchen aufgeregt. Nicht zuletzt wegen des Problems, barfuß durch den ganzen Bahnhof und über den belebten Vorplatz laufen zu müssen. Wer weiß, wo Vati den Wagen hatte parken können. Vielleicht holte sie ja auch Mutsch ab. Dann würden sie ein Taxi nehmen müssen, und das bedeutete noch einmal erstaunte Blikke und spöttisches Lächeln. Der Zollbeamte an der Grenze hatte ja auch gefragt, ob sie vielleicht ausgeraubt worden sei, und ob er mit grauen Strümpfen aushelfen dürfe, die seien unauffälliger. Seitdem lief sie barfuß herum, was man ihren Füßen auch ansehen konnte. Außerdem waren sie eiskalt. Kein Wunder bei diesen arktischen Temperaturen. Zehn Grad über Null und nackte Beine!
    Als der Zug in den Hauptbahnhof einlief, steckten ihre Füße wieder in den roten Handgestrickten. Das zu erwartende Spießrutenlaufen würde schlimmstenfalls fünf Minuten dauern, eine Lungenentzündung ebenso viele Wochen! Und wenn sie als Letzte aus dem Wagen stieg und wartete, bis sich die meisten Reisenden verlaufen hatten, würde es schon nicht so furchtbar werden. Zum Glück hatte sie ja nicht viel Gepäck, wenn man einmal von den Blumen absah. Und hinter denen konnte sie sich ganz gut verstecken: Immerhin war es ja möglich, daß ihr jemand Bekanntes über den Weg lief.
    Halb verborgen von der geöffneten Tür wartete sie. Vorn am Ausgang drängten sich die Reisenden, aber der größte Teil des Bahnsteigs war schon leer. Sie griff nach der Tasche, klemmte sich die Blumen unter den Arm und stieg vorsichtig aus dem Zug. Ein verlassen herumstehender Kofferkuli kam ihr gerade recht. Wenn sie den vor sich herschob, fielen die Entenfüße vielleicht gar nicht so auf. Inzwischen war es auch an der Sperre leerer geworden, und so marschierte sie zielstrebig dem Ausgang zu.
    Plötzlich löste sich ein winziges Pünktchen aus der Menge und jachterte kläffend den Bahnsteig entlang. Bommel! Und wer kam hinter ihm herspaziert? So, als ob nichts, aber auch rein gar nichts gewesen wäre?
    »Tach, Tinchen«, sagte Florian, »schön, daß du wieder da bist. Wurde auch höchste Zeit! Ich wollte mit Bommel schon zum Psychiater, weil er ganz offensichtlich verhaltensgestört ist, aber dann hätte mich der Seelenklempner auch gleich dabehalten. Und für zwei wird’s zu teuer.«
    Vor lauter Freude wußte Bommel gar nicht, wo er sein endlich wieder aufgetauchtes Frauchen zuerst belecken sollte. Also fing er unten an und entdeckte auch gleich die Löcher, durch die er wenigstens ein kleines Stück Fuß erwischen konnte.
    »Ach,
da
sind meine Socken«, staunte Florian und wunderte sich sonst überhaupt nicht, »die suche ich schon seit Wochen. Aber wenn sie dir gefallen, darfst du sie behalten. Du solltest sie bloß mal stopfen!«
    Tinchen saß auf dem Kofferkarren, hielt den zappelnden Bommel im Arm und wußte nicht, ob sie lachen oder empört sein sollte. Schließlich dachte sie an das Nächstliegende. »Hat denn niemand von meiner Familie Zeit gehabt, mich abzuholen?«
    »Doch, natürlich. Es hat lange genug gedauert, bis ich sie davon abbringen konnte. Dein Vater wollte sein Geschäft wegen des freudigen Ereignisses heute schließen, deine Mutter hat um halb sieben mit dem Kochen angefangen, damit das Essen fertig und sie am Bahnhof sein konnte, deine Oma war gestern extra noch beim Friseur, und Karsten hatte sich schon vor Tagen für heute beurlauben lassen. Wegen einer Familienfeier. Jetzt sitzt er draußen im Auto und fährt immer ums Karree. Wir hatten nämlich keinen Groschen
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